Nato-Generalsekretär Stoltenberg bleibt im Ukraine-Krieg an Bord

Jens Stoltenberg - Bild: NATO North Atlantic Treaty Organization
Jens Stoltenberg - Bild: NATO North Atlantic Treaty Organization

In extrem stürmischen Zeiten bleibt der Nato ihr Steuermann vorerst erhalten: Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde am Donnerstag – genau einen Monat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine – auf dem Sondergipfel in Brüssel von den Staats- und Regierungschefs für ein weiteres Jahr im Amt bestätigt. Eigentlich wollte der 63-Jährige im Dezember Zentralbankchef seines Heimatlandes Norwegen werden. Doch nun wird der erfahrene Vermittler bei der Nato dringender gebraucht denn je.

US-Präsident Joe Biden war der erste Gratulant: Stoltenberg habe eine „bemerkenswerte Arbeit“ geleistet – „vor allem in diesem kritischen Moment für die internationale Sicherheit“, schrieb Biden auf Twitter.

Stoltenberg selbst twitterte, er fühle sich „geehrt“ angesichts der Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, seine Amtszeit bis Ende September 2023 zu verlängern. In der „größten Sicherheitskrise seit einer Generation“ müsse die Nato stark bleiben.

In enger Abstimmung mit Biden und anderen Bündnispartnern hatte Stoltenberg den russischen Präsidenten Wladimir Putin in den vergangenen Wochen immer wieder aufgerufen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Zugleich versicherte er der Ukraine die Unterstützung des Bündnisses. Und er musste Präsident Wolodymyr Selenskyj erklären, dass die Nato seine Forderungen – etwa eine Flugverbotszone – nicht erfüllen kann. Zu groß ist die Gefahr eines Weltkriegs.

Stoltenberg steht seit fast acht Jahren an der Spitze des transatlantischen Militärbündnisses. Ursprünglich sollte auf dem regulären Nato-Gipfel Ende Juni in Madrid eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger bestimmt werden. Doch in den vergangenen Tagen verdichteten sich die Gerüchte über einen Verbleib im Amt.

Auch vor der aktuellen Krise musste Stoltenberg immer wieder den Fels in der Brandung spielen. Etwa beim chaotischen Nato-Abzug aus Afghanistan im August. Oder in der erregten Debatte um den „Hirntod“ der Nato, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lostrat – als Antwort auf den damaligen US-Präsidenten Donald Trump, der die Organisation als „obsolet“ bezeichnet hatte. Nicht zu vergessen der Dauerstreit um höhere Verteidigungsausgaben, der nun wegen der Milliardeninvestitionen Deutschlands und anderer Länder vorerst beigelegt ist.

Als der Sozialdemokrat Stoltenberg den Nato-Posten im Oktober 2014 antrat, waren die Zeiten nicht minder bewegt: Russland hatte gerade die Krim annektiert und unterstützte mehr oder weniger offen pro-russische Separatisten in der Ostukraine. Stoltenberg setzte daraufhin die von der Nato beschlossene Verstärkung in Osteuropa um. Putin kritisierte dies immer wieder. Wegen des von ihm entfachten Kriegs in der Ukraine werden die Kräfte nun noch massiver verstärkt.

Der ehemalige norwegische Regierungschef Stoltenberg bewirkte auch einige Neuerungen bei der Nato: So hat das Bündnis eine Eingreiftruppe mit bis zu 40.000 Soldatinnen und Soldaten. Derzeit ist sie in erhöhter Bereitschaft.

In jungen Jahren hätte Stoltenberg wohl niemand vorhergesagt, dass er einmal an der Spitze des Militärbündnisses stehen würde: Als Teenager zertrümmerte er aus Protest gegen den Vietnamkrieg die Fenster der US-Botschaft in Oslo. Als junger Sozialdemokrat mit wehender schwarzer Mähne wetterte er wütend gegen die Nato.

Die Politik war Stoltenberg quasi in die Wiege gelegt: Seine Mutter war Staatssekretärin, sein Vater brachte es bis zum Außenminister. Nach ersten Ministerposten wurde er selbst im Jahr 2000 mit nur 41 Jahren Norwegens Ministerpräsident. Von 2005 bis 2013 folgten zwei weitere Amtszeiten.

Bekannt auch außerhalb Norwegens wurde Stoltenberg nach dem Massaker von Utöya im September 2011: Damals gelang es ihm, sein schockiertes Land zu trösten.

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