Die deutschen Kommunen haben die Bund-Länder-Vereinbarungen zur Versorgung ukrainischer Kriegsflüchtlinge als unzureichend kritisiert. Der Bund müsse „eine klare Zusage zur Übernahme der Finanzierung bei Unterbringung, Versorgung und Integration“ abgeben, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ vom Freitag. Die Zahl der Geflüchteten stieg unterdessen auf fast 200.000. Vertreter aus Bund und Ländern erwarteten noch weit höhere Zahlen.
Die Spitzen von Bund und Ländern hatten am Donnerstag über eine bessere Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage beraten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte dabei grundsätzlich eine Beteiligung des Bundes an den Kosten zu. Der Umfang blieb aber offen. Die Details soll nun eine gemeinsame Arbeitsgruppe bis zum nächsten Bund-Länder-Treffen am 7. April ausarbeiten.
Auch eine „Unterstützung und Vereinfachung der Verfahren bei der Registrierung und Verteilung“ der Kriegsflüchtlinge sei nötig, sagte Landsberg zu den Bund-Länder-Beschlüssen. Er sprach sich für die Einsetzung eines Expertengremiums auf Bundesebene aus, um die Lage bei der Flüchtlingsversorgung „fortlaufend gut beurteilen und notwendige Anpassungen schnell“ umsetzen zu können. Vor allen lägen nun „Herkulesaufgaben“.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verlangt Klarheit darüber, wie die Aufnahme kranker und verletzter Menschen aus der Ukraine koordiniert wird. „Wir sind für die Verlegung von ukrainischen Patienten und Kriegsverletzten derzeit nicht so aufgestellt, wie wir es sein müssten“, sagte Verbandschef Gerald Gaß den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Auch in Bezug auf Geflüchtete, die in Deutschland medizinisch behandelt werden müssten, gebe es offene Fragen.
In Deutschland registrierte die Bundespolizei nach Angaben des Bundesinnenministeriums bis Freitag 197.423 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Da keine festen Grenzkontrollen zu Ukraine-Nachbarländern wie Polen stattfinden, dürfte die tatsächliche Zahl wesentlich höher sein.
Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) rechnete nochmals „mit einem sprunghaften Anstieg von Geflüchteten“. Bereits derzeit kämen in Berlin täglich rund 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine an, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstagsausgabe). Das sei das Zehnfache dessen, was Berlin im Jahr 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise zu bewältigen gehabt habe.
Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geht von weiter deutlich steigenden Flüchtlingszahlen aus. In Polen, in das seit Kriegsbeginn bereits zwei Millionen Menschen aus der Ukraine einreisten, kämen viele Städte an die Belastungsgrenze, sagte er den Sendern RTL und ntv. Er kritisierte eine mangelnde Aufnahmebereitschaft vieler Bundesländer. An manchen Tagen seien nur 1000 Aufnahmeplätze gemeldet worden. „Das ist viel zu wenig.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte dem „Spiegel“, seit vergangener Woche seien von den Ländern nicht mehr genug freie Unterkünfte gemeldet worden. Deshalb habe sich der Bund jetzt entschieden, „die Menschen jetzt nach einer festen Quote innerhalb Deutschlands zu verteilen, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel“.
Faeser wies Vorwürfe einer fehlenden Unterstützung etwa des Landes Berlin zurück. „Wovon ich gar nichts halte, ist, wenn man in Krisen- und Kriegszeiten gegenseitig mit dem Finger aufeinander zeigt“, sagte die Ministerin. „Anpacken, nicht meckern, lautet da mein Motto.“