Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg: Israels Regierungschef in schwieriger Mission

Naftali Bennett - Bild: Avi Ohayon, GPO
Naftali Bennett - Bild: Avi Ohayon, GPO

Israels Ministerpräsident Naftali Bennett ist streng religiös. Während des Sabbat, des jüdischen Ruhetags am Samstag, nimmt er keine Termine war – außer unter außergewöhnlichen Umständen. Und diese gibt es jetzt mit dem Ukraine-Krieg: Bennett reiste am Samstag zu Kreml-Chef Wladimir Putin nach Moskau und traf anschließend Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin. Nach einigem Zögern schaltet sich nun also Israel als Vermittler im Ukraine-Konflikt ein. Die Erfolgsaussichten sind nach Ansicht politischer Experten allerdings gering.

Bisher hat sich Bennett nicht in den Chor westlicher Staaten unter Führung seines engen Verbündeten USA eingereiht, die den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine scharf verurteilen. Stattdessen betonte er die guten Beziehungen Israels sowohl zu Russland als auch zur Ukraine.

Genau wegen dieser engen Beziehungen zu beiden Kriegsparteien übernahm Bennett nun die Rolle als Vermittler. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Bennett darum gebeten und ihn gleichzeitig wegen seiner Untätigkeit kritisiert. Selenskyj ist selbst Jude, hat Angehörige in Israel und das Land mehrfach besucht.

Bennett war nun der erste führende ausländische Politiker seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar, der Putin persönlich in Moskau traf. Begleitet wurde er unter anderem von seinem Wohnungsbauminister Seev Elkin, der noch zu Sowjetzeiten in der Ukraine geboren wurde und Russisch spricht. Das Gespräch im Kreml dauerte drei Stunden.

Im Vorfeld der Reise hatte Bennett wiederholt mit Putin und Selenskyj telefoniert, und nach seinem Treffen mit Putin telefonierte er erneut mit Selenskyj. Nach Angaben seines Büros stimmte er sich vor seinem Gespräch im Kreml zudem mit „den USA, Deutschland und Frankreich“ ab. In seinem kurzfristig anberaumten Treffen mit Scholz unterrichtete Bennett seinen deutschen Kollegen anschließend ebenfalls über seine Unterredung mit Putin.

Scholz und Bennett hätten vereinbart, „in der Angelegenheit weiterhin eng in Kontakt zu bleiben – gemeinsames Ziel bleibe es, den Krieg in der Ukraine so schnell wie irgend möglich zu beenden“, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der Nacht zum Sonntag. Weitere Details zu den Gesprächen in Moskau und Berlin wurden zunächst nicht bekannt. Geht es nach Bennett, soll das auch so bleiben, wie er am Sonntag während der wöchentlichen Sitzung seines Kabinetts unterstrich.

Nach Ansicht von Analysten sind Bennetts Chancen, die russische Position zu beeinflussen, allerdings gering. „Wladimir Putin scheint kein Mann des Kompromisses zu sein. Wird der israelische Ministerpräsident (…) in der Lage sein, dies zu ändern?“, zeigte sich „The Times of Israel“ skeptisch.

Unter Berufung auf eine ungenannte Quelle schrieb der renommierte israelische Journalist und Kommentator Barak Ravid unterdessen, das Weiße Haus habe Israel mitgeteilt, dass es „Bennetts Chancen, Putins Position zu beeinflussen“ bezweifele.

Der israelische Regierungschef macht sich selbst wenig Illusionen, will aber trotzdem seine Vermittlungsbemühungen fortsetzen. Er sehe seine Mission als „moralische Pflicht“ an, sagte Bennett am Sonntag. Solange es noch Hoffnung gebe und „wir Zugang zu allen Seiten haben“, wolle er alles versuchen. „Vielleicht ist noch Zeit zu handeln.“

Der ehemalige israelische Botschafter in den USA, Michael Oren, sieht es ähnlich. „Alles hängt von Putins Gemütszustand ab“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Vor dem Krieg habe der Kreml-Chef noch alle diplomatischen Vorstöße zurückgewiesen – „aber heute ist Russland in einer anderen Lage“. Putin könnte nach einem „Ausweg aus seiner misslichen Lage suchen“ sagte Oren. „Naftali Bennett könnte möglicherweise den Weg weisen.“

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