Corona-Impfpflicht: Ein Problem, vier Vorschläge und viele Stimmkarten

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Die Abstimmung über die Corona-Impfpflicht am Donnerstag im Bundestag ist eine ungewöhnliche: Es gibt vier unterschiedliche Vorlagen, die zum Teil von fraktionsübergreifenden Gruppen, zum Teil von einzelnen Fraktionen erstellt wurden. Über sie wird nach etwa 70 Minuten Debatte in einer vorab festgelegten Reihenfolge abgestimmt – und zwar namentlich. Dabei ist es auch möglich, dass alle Anträge scheitern.

Welche Anträge stehen zur Abstimmung?

Auf den letzten Metern schrumpfte die Zahl der Vorlagen von fünf auf vier: Zwei Gruppen von Abgeordneten aus den Reihen der Ampel-Koalition legten ihre Gesetzentwürfe zusammen und wollen nunmehr, dass ab Oktober eine Impfnachweispflicht für alle Menschen ab 60 Jahren gilt. Je nach Entwicklung soll diese ausgesetzt werden können; auch eine Erweiterung auf alle Erwachsenen wäre aber möglich.

Bei den übrigen Vorlagen handelt es sich um Anträge, nicht um fertig ausformulierte Gesetzentwürfe. Die Unionsfraktion will einen „gestuften Impfmechanismus“ für bestimmte Alters- oder Berufsgruppen. Für die konkrete Einführung wäre ein weiterer Bundestagsbeschluss nötig. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki lehnt eine Impfpflicht ab, wirbt aber grundsätzlich fürs Impfen. Die AfD-Fraktion spricht sich ebenfalls gegen die Impfpflicht aus; die bereits geltende Pflicht für Mitarbeitende in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen will sie wieder abschaffen.

Welcher Antrag hat die besten Chancen?

Von den ursprünglich zwei Gesetzentwürfen hatte einer, nämlich der weitergehende, 235 Unterstützer gesammelt, der andere 45. Würden sie alle nun den Kompromissvorschlag mittragen, ergäben sich also 280. Den Vorschlag der Unionsfraktion unterstützen etwa 195 Abgeordnete der CDU/CSU, der Kubicki-Antrag hat 50 Mitzeichner. Die AfD-Fraktion hat 80 Mitglieder; Unterstützung für ihren Antrag aus den anderen Fraktionen gilt als ausgeschlossen. Etwa 130 Abgeordnete hatten sich somit zuletzt noch nicht festgelegt.

Nötig für einen Beschluss ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei Enthaltungen so gewertet werden, als wären sie nicht abgegeben worden. Der Bundestag hat 736 Mitglieder – würden alle an der Abstimmung teilnehmen und entweder mit Ja oder Nein stimmen, läge die Mehrheit also bei 369 Stimmen.

Die Unterstützer des Gesetzentwurfs und die Unionsfraktion warben bis zuletzt wechselseitig um Unterstützung. Es ist aber durchaus denkbar, dass am Ende gar keine Vorlage die nötige Mehrheit bekommt.

Wie wird abgestimmt?

Über die Reihenfolge, in der die Vorlagen abgestimmt werden, könnten sich die Fraktionen nicht einigen – daher wird nach der Debatte zunächst über genau diese Frage mit anonymen Stimmzetteln abgestimmt. Aus Sicht von Parlamentsrechtsexperten in der Bundestagsverwaltung sind grundsätzlich zwei Reihenfolgen denkbar: vom ganz ablehnenden AfD- Antrag über die Kubicki-Variante und den Unionsantrag bis zum Gesetzentwurf – oder umgekehrt. Vertreter der Koalition wollen die erste Variante, die Unionsfraktion hätte lieber die zweite. Die „Ampel“ wird voraussichtlich mit ihrer Mehrheit ihre favorisierte Reihenfolge durchsetzen.

Danach werden die Vorlagen einzeln abgestimmt. Hierbei handelt es sich um die zweite Lesung. Nur wenn ein Antrag oder Gesetzentwurf dabei mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält, kommt es noch zu einer Abstimmung in dritter Lesung, wo erneut die Mehrheit der abgegebenen Stimmen nötig ist. All diese Abstimmungen erfolgen voraussichtlich namentlich – es genügt also nicht das Handzeichen, sondern die Abgeordneten müssen ihre Stimmkarten in Urnen werfen. Weil dieses Verfahren so zeitaufwändig ist, werden die Abstimmungen wohl mehr als zwei Stunden dauern.

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