Das Scholz-Paradoxon, die ruckelnde Technik und eine neue Ikone

Olaf Scholz - Bild: Bundesregierung/Denzel
Olaf Scholz - Bild: Bundesregierung/Denzel

Zwei Tage lang zogen die 662 Delegierten des FDP-Bundesparteitags in Berlin eine erste Zwischenbilanz seit Eintritt in die Ampel-Koalition. Die wichtigsten Erkenntnisse des Delegiertentreffens:

Die FDP findet Kanzler Scholz gut und schlecht zugleich

Was hält die FDP eigentlich von Kanzler Scholz? Kommt ganz darauf an, wen man gerade fragt. An der Basis hat sich viel Ärger aufgestaut über den Kanzler, den viele als Bremsklotz auf dem Weg zu Waffenlieferungen an die Ukraine betrachten. Die Parteispitze aber will eines vermeiden: einen offenen Koalitionskrach. Und so zeigte sich auf dem Parteitag ein eigentümlicher Zwiespalt. Lindner sprach Scholz sein Vertrauen aus und lobte ihn als „verantwortungsvolle Führungspersönlichkeit“. Vor allem einfache Delegierte kritisierten den Kanzler derweil als führungsschwach und als Regierungschef, „der sich nicht mal traut, das Wort Panzer in den Mund zu nehmen“.

Selbstbehauptung in der „Ampel“

Es hatte beinahe etwas Beschwörendes, was der neu gewählte Generalsekretär in die Parteitagshalle rief: „Ich werde niemals, niemals, niemals ein zusätzlicher Regierungssprecher sein.“ Drei Mal „niemals“: Hinter Djir-Sarais Worten steckt eine Furcht, die viele Liberale seit dem Eintritt in die Koalition mit den beiden linkeren Parteien SPD und Grüne umtreibt – dass die FDP in der „Ampel“ als eigenständige politische Kraft unkenntlich wird. Djir-Sarai ist erklärter Anhänger von Schwarz-Gelb, er soll jenen Teil der FDP-Basis im Blick behalten, der immer noch mit der „Ampel“ fremdelt. Vor allem in der Energiepolitik grenzte sich der Parteitag klar von den Koalitionspartnern ab: Die FDP will etwa eine Verschiebung des Kohle- und Atomausstiegs prüfen lassen.

Ein neuer Stern am FDP-Himmel

Die Liberalen huldigen ihrer neuen Ikone: Marie-Agnes Strack-Zimmermann nimmt kein Blatt vor den Mund, die Parteitags-Delegierten lieben die furchtlose Schnoddrigkeit der Rheinländerin. Die 64-Jährige stiehlt dem Vorsitzenden Lindner die Schau: Als eine Art Ein-Frau-Kommando nimmt die Wehrexpertin den zögerlichen SPD-Kanzler Scholz unter rhetorischen Dauerbeschuss, unablässig fordert sie schwere Waffen an die Ukraine. Ihre Devise: „Nicht zaudern, nicht zögern – Kühnheit und Mut“ – so formulierte sie es unter Jubel auf dem Parteitag. Dabei war Strack-Zimmermanns FDP-Karriere eigentlich schon auf dem absteigenden Ast. Vor drei Jahren wurde sie vom Posten der Vize-Parteichefin verdrängt. Nun hat sie sich im Alleingang in die erste Reihe der Liberalen vorgekämpft.

Das Frauenproblem bleibt bestehen

Die FDP hat bereits einen Männeranteil von fast 80 Prozent – und er steigt weiter: Es träten vor allem junge Männer ein, berichtete Ombudsmitglied Christopher Gohl und warnte vor dem Entstehen einer „Monokultur“. Gohl monierte, dass Parteitagsbeschlüsse von 2019 zur Steigerung des Frauenanteils in Ämtern und Mandaten mittels Zielvereinbarungen nicht umgesetzt wurden. Das Thema gilt in der Partei als äußert schwierig, das Wort „Quote“ als Teufelszeug. Konkrete Strategien, wie das Frauenproblem angegangen werden könnte, wurden auf dem Parteitag weder vorgestellt noch beschlossen. Ein Antrag, wonach sich eine Arbeitsgruppe der Sache annehmen soll, wurde aus Zeitgründen nicht mehr behandelt, sondern an den Bundesvorstand überwiesen.

Technik ist kein Allheilmittel

Die FDP präsentiert sich gern als innovations- und digitalisierungsfreudige Partei. Doch der Parteitag bewies, welche Tücken die Technik haben kann: Parteichef Christian Lindner, nach positivem Corona-Test in Washington gestrandet, konnte nur per Videoschalte zum Parteitag sprechen. Die Leitung ruckelte, Lindner war zeitweise nicht zu hören, schließlich brach die Leitung ganz zusammen. Dass der Parteichef bei der Rede zudem verschwitzt und blass aussah, sorgte für Spekulationen im Netz über seinen Gesundheitszustand. Lindner erwiderte auf Twitter: Es bestehe kein Grund zur Sorge – so sehe eben jemand aus, der morgens um 6 Uhr Ortszeit „ohne Maske im Scheinwerfer steht“.

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