Vom Baltikum bis Portugal – Wie EU-Länder ihre Abhängigkeit von russischem Gas verringern

Gas-Raffinerie
Gas-Raffinerie

Überall in Europa bemühen sich Regierungen angesichts des Ukraine-Kriegs um eine schnellstmögliche Unabhängigkeit von russischen Energieimporten. Reserven werden angezapft, neue Lieferverträge abgeschlossen und Infrastruktur ausgebaut. Ein Überblick:

Baltikum

Estland, Lettland und Litauen importieren nach eigenen Angaben seit dem 1. April kein Gas mehr aus Russland. Die Gasversorgung wird aktuell durch Gasreserven aus Lettland gedeckt. Ein Flüssiggasterminal in der lettischen Hafenstadt Klaipeda, eröffnet im Jahr 2014, ermöglichte es den baltischen Ländern, ihre Abhängigkeit von russischem Gas schnell zu reduzieren.

Gemeinsam mit Finnland will Estland zudem ein schwimmendes LNG Terminal, eine sogenannte Floating Storage and Regasification Unit (FSRU), anmieten. Bereits vor dem nächsten Winter soll der schwimmende Terminal in Betrieb genommen werden, er könnte sowohl vor der finnischen als auch der estnischen Küste liegen.

Polen

Mit einer Investition von drei Milliarden Zloty (rund 645 Millionen Euro) in den staatlichen Netzbetreiber Gaz-System will Polen eine Gaspipeline durch die Ostsee bauen, die Polen direkt mit dem Gasproduzenten Norwegen verbinden soll. Bis zum Jahresende soll die Pipeline in Betrieb gehen, Warschau will bis 2023 vollständig unabhängig von russischem Gas sein.

Auch Kohle will Polen nicht mehr aus Russland importieren. Laut Regierungschef Mateusz Morawiecki will sich das Land in Südafrika, Australien, Kolumbien und den USA um neue Liefermöglichkeiten bemühen. Über ein Flüssiggas-Terminal verfügt Polen bereits: Fertiggestellt im Jahr 2015, hat der Terminal in Swinemünde (Swinoujscie) eine jährliche Kapazität von fünf Milliarden Kubikmetern. Bis 2023 soll die Kapazität auf 7,5 Milliarden Kubikmeter ausgeweitet werden.

Frankreich

Frankreich ist vergleichsweise wenig abhängig von russischen Energieimporten. Laut Eurostat importierte Frankreich 2020 knapp 17 Prozent seines Erdgases aus Russland und knapp neun Prozent seines Rohöls.

Auch Frankreich setzt auf einen Ausbau der Kapazitäten für Flüssiggas, über vier LNG-Terminals verfügt das Land bereits. Premierminister Jean Castex betonte zudem die Rolle der Erneuerbaren. Eine große Rolle spielt in Frankreich auch die Kernkraft: Bis zu 14 neue Kernkraftwerke sollen gebaut, zusätzlich kleinere modulare Kernreaktoren entwickelt werden.

Italien

Italien gehört mit Deutschland zu den am stärksten vom russischen Gas abhängigen europäischen Ländern. Bis 2025 will Italien unabhängig sein. Bei einem Besuch in Algerien kündigte Italiens Regierungschef Mario Draghi am Montag einen Vertrag über die Lieferung von zusätzlichem algerischen Erdgas an. Über die Transmed Pipeline, die Algerien über Tunesien und Sizilien mit dem italienischen Festland verbindet, sollen ab 2023/24 bis zu neun Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr geliefert werden.

Zudem genehmigte die italienische Regierung sechs neue Windparks an Land, auch ein Off-Shore-Windpark vor der Küste Apuliens ist geplant.

Griechenland

Die griechische Regierung kündigte am Dienstag an, die Erschließung von Gasvorkommen vor seinen Küsten voranzutreiben. Konkret geht es um sechs mögliche Vorkommen, eins davon an Land. Die Produktion von Braunkohle will Athen in den kommenden zwei Jahren verdoppeln.

Spanien und Portugal

In Südeuropa bemühen sich Spanien und Portugal um den Ausbau alternativer Gasversorgungsrouten. Im portugiesischen Hafen Sines könnte der dortige LNG-Terminal die Kapazität auf zehn Millionen Tonnen jährlich verdoppeln, sagte Hafendirektor José Luis Cacho. Bei einer entsprechenden Investition sei eine Verdopplung der Gaskapazität innerhalb von maximal zwei Jahren möglich.

Spanien verfügt über insgesamt sechs Flüssiggasterminals und ist über eine Pipeline mit Algerien verbunden. Über Spanien könnte Europa so zusätzliches Gas aus Algerien beziehen – dafür wäre aber ein umfassender Ausbau der Gasnetze insbesondere in Frankreich notwendig, um den Rest von Europa besser anzubinden.

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