Thomas Losse-Müller: Die historische Wahlpleite des SPD-Späteinsteigers

Thomas Losse-Müller - Bild: Pepe Lange
Thomas Losse-Müller - Bild: Pepe Lange

Seine Spitzenkandidatur für die SPD wirkte wie ein Experiment – und dieses ist krachend gescheitert: Erst vor zwei Jahren trat Thomas Losse-Müller in die SPD ein, nun bescherte er ihr in Schleswig-Holstein ein historisches Wahldebakel. Mit einem Ergebnis von den ersten Hochrechnungen zufolge weniger als 16 Prozent holte die SPD im Norden mit dem 48-Jährigen so wenige Stimmen wie nie bei einer Landtagswahl.

Losse-Müller war nach den üblichen Maßstäben des Politikbetriebs von Anfang an ein eher ungewöhnlicher Kandidat. Er hatte noch nie ein Parteiamt inne, außerdem war er lange Mitglied der Grünen. Doch über seinen Job als ehemaliger Staatskanzleichef des früheren SPD-Ministerpräsidenten Torsten Albig näherte sich Losse-Müller den Sozialdemokraten an.

Wie sein einstiger Chef Albig 2017 scheiterte nun auch Losse-Müller am CDU-Mann Daniel Günther. Losse-Müller hatte dabei nicht den Hauch einer Chance. Der große Abstand zwischen CDU und SPD wuchs im Schlussspurt des Wahlkampfs immer mehr – am Ende zogen noch die Grünen an der SPD vorbei.

Losse-Müller stammt aus dem nordrhein-westfälischen Schwerte und ist Volkswirt. Nach einem Studium in Köln und London, in dem er sein Geld unter anderem als Roadie auf Tourneen von Musikstars wie Tina Turner verdiente, arbeitete er für die Deutsche Bank und später bei der Weltbank. Er lebte zeitweise in Washington und Frankfurt am Main, dort schloss er sich als Mitglied den Grünen an.

2012 holte die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold von den Grünen ihn als Staatssekretär in ihr Ministerium nach Kiel. Ab 2014 führte er die Staatskanzlei bis zur SPD-Niederlage 2017.

Danach arbeitete Losse-Müller, der eigenen Angaben zufolge unter anderem ein begeisterter Vogelbeobachter ist und Ausflüge in die Natur mag, für ein Beratungsunternehmen. Zugleich engagierte er sich trotz seiner Grünen-Mitgliedschaft weiterhin für die SPD in Schleswig-Holstein. Die Partei berief ihn 2019 in eine Denkfabrik.

Losse-Müller ist seit 2009 verheiratet, seine Frau lernte er über die gemeinsame Tätigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit kennen. Sie stammt aus Schleswig-Holstein. Gemeinsam hat das Paar zwei Töchter, die Familie lebt im kleinen Ahlefeld-Bistensee nördlich von Rendsburg. Er sei jetzt dort „zu Hause“, betont der Politiker.

Die jahrelange wechselseitige Annäherung zwischen ihm und der SPD gipfelte 2020 in seinem Parteieintritt. Losse-Müller beschreibt dies als Ergebnis eines längeren Denkprozesses. „Die SPD ist für mich die Partei, die gesellschaftlichen Zusammenhalt organisiert.“

Zugleich erkannte die schleswig-holsteinische SPD, die unter ihrer Landeschefin Serpil Midyatli seit längerem an einer strategischen Neuaufstellung und einem Generationswechsel arbeitet, in ihm dem geeigneten Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Dass nicht sie zugriff, überraschte bei der Verkündung im vergangenen Jahr nicht wenige. Midyatli verwies auf Losse-Müllers Erfahrung als Berater und betonte zugleich, sie wolle keine „One-Woman-Show“ aufführen.

Losse-Müller gelang es allerdings nicht, die SPD bei den Wählern zu einer starken Stimme zu machen. Er erklärte dies mit den schwierigen Rahmenbedingungen: In der Coronakrise habe die SPD die Positionen der Landesregierung unterstützt, danach habe der Krieg in der Ukraine die Menschen bewegt. „Wir haben es nicht wirklich geschafft, unsere Themen zu setzen.“

Persönliche Konsequenzen aus der Pleite schloss Losse-Müller unmittelbar nach der Wahlniederlage aus. Er will nun sein Landtagsmandat wahrnehmen.

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