Eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung ist auch zur Bekämpfung schwerer Straftaten nicht rechtens. Selbst besonders schwere Kriminalität könne nicht einer Bedrohung der nationalen Sicherheit gleichgestellt werden, erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag und bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung. Nur eine solche Bedrohung könne allgemeine Vorratsdatenspeicherung für einen begrenzten Zeitraum rechtfertigen. (Az. C-140/20)
Es ging konkret um einen in Irland wegen Mordes verurteilten Mann. Er findet, dass seine Kommunikationsdaten im Prozess nicht als Beweise hätten verwendet werden dürfen, und zog darum vor ein irisches Gericht. Dieses bat den EuGH um Auslegung des EU-Rechts.
Dieser bestätigte nun weiter, dass eine gezielte Vorratsdatenspeicherung in einigen Fällen möglich sei. So könnten nationale Behörden beispielsweise Verkehrs- oder Standortdaten speichern auf Grundlage von geografischen Kriterien wie der durchschnittlichen Kriminalitätsrate in einem bestimmten Gebiet.
Auch an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen oder an strategischen Orten sei dies zur Bekämpfung schwerer Kriminalität möglich. Zudem hindere das EU-Recht nationale Behörden nicht daran, schon im ersten Stadium der Ermittlungen eine umgehende Sicherung von Daten anzuordnen, der sogenannte Quick-Freeze-Ansatz.
„Wir haben bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die anlasslose Vorratsdatenspeicherung auch in Deutschland abschaffen werden“, erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in einer Reaktion auf die Entscheidung. „Dieses Vorhaben wird durch das heutige Urteil nochmals bestärkt.“
Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich und Helge Limburg mahnten, auch wenn das Urteil des EuGH noch keine konkrete Rechtsprechung für Deutschland bedeute, sei „das Signal in Richtung auch anderer nationaler Gesetzgeber erneut klar und unmissverständlich“.
„Auch die deutsche Regelung einer allgemeinen und anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ist unvereinbar mit geltendem EU-Recht“, erklärten die beiden Politiker. Dennoch sei sie weiterhin nur ausgesetzt. Sie solle ad acta gelegt und durch Quick-Freeze ersetzt werden.
Zum konkreten Fall bemerkte der EuGH, dass der Mitgliedsstaat selbst darüber entscheiden müsse, ob die mittels Vorratsdatenspeicherung erlangten Daten als Beweise nutzbar seien. Über die Klage des Straftäters muss nun das irische Gericht entscheiden. Es ist dabei an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden. Die derzeit ausgesetzte deutsche Regelung liegt ebenfalls beim EuGH, darüber ist aber noch nicht entschieden.