Wenn die Kinder ausziehen, darf die Grenze für die angemessene Größe für Wohneigentum von Hartz-IV-Empfängern sinken. Die Bewertung, ob das selbst bewohnte Eigentum dann noch angemessen sei, dürfe von der Zahl der aktuellen Bewohner abhängen, erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag. Die entsprechende Regelung verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. (Az. 1 BvL 12/20)
Selbst genutztes Wohneigentum gehört zum sogenannten Schonvermögen. Es muss also beispielsweise nicht verkauft werden, um Arbeitslosengeld II zu bekommen. Allerdings muss die Wohnung angemessen sein, also nicht zu groß. Wie groß sie sein darf, hängt von der Zahl der Bewohner ab.
Das Sozialgericht Aurich hatte dem Verfassungsgericht den Fall vorgelegt. Es muss über die Klage eines Ehepaars entscheiden, das in einem etwa 140 Quadratmeter großen Haus lebt. Die sechs Kinder sind inzwischen ausgezogen. Die Frau beantragte Leistungen vom Jobcenter, die jedoch abgelehnt wurden, weil das Haus für die beiden zu groß sei. Zwei Personen dürfen laut Regelung auf höchstens 90 Quadratmetern wohnen.
Das Sozialgericht fragte das Verfassungsgericht, ob die entsprechende Regelung verfassungsgemäß ist – was dieses nun bejahte. Der Gesetzgeber müsse nicht berücksichtigen, ob früher mehr Menschen in der Wohnung gewohnt hätten, erklärte es. Zwar könnten Eltern ihr Wohneigentum nicht von Anfang an so klein halten, dass es auch nach dem Auszug der Kinder nicht als zu groß gelte.
Doch habe der Gesetzgeber bei der Regelung von Sozialleistungen einen weiten Spielraum, und das aktuelle Gesetz diene einem legitimen Zweck und sei geeignet und erforderlich, diesen zu erreichen. Das Grundgesetz verbiete es nicht, soziale Leistungen zur Existenzsicherung nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten könnten.
Der soziale Rechtsstaat sei darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit nur bei aktueller Bedürftigkeit in Anspruch genommen würden, betonte das Gericht. Den Betroffenen würden hier keine notwendigen Mittel verwehrt – sie könnten schließlich ihr Wohneigentum zu Geld machen.
Der Sozialverband VdK zeigte sich „sehr enttäuscht“ über die Entscheidung. Das Gericht habe „die große Chance vertan, die starre Regelung an die wirklichen Bedürfnisse der Menschen“ und die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt anzupassen, erklärte Präsidentin Verena Bentele. Nun sei die Politik gefordert, die Vorgaben zu überarbeiten.