Über 2000 User haben Anfang April das Bild eines alten Dokuments aus der DDR geteilt, in dem der Begriff „Coronavirusinfektion“ auftaucht. Dies beweise, dass „Corona“ schon in der DDR existiert habe, heißt es. Das DDR-Dokument beschreibt allerdings nicht das aktuelle Virus Sars-CoV-2, sondern ein älteres Coronavirus bei Tieren. Varianten des menschlichen Corona-Viruses sind bereits seit den 60er-Jahren bekannt.
Rund 2400 Menschen haben das DDR-Dokument seit dem 2. April geteilt (hier). Zu sehen ist ein gelbliches Dokument, datiert auf den 25. Juli 1985. Darauf steht: „Informationen zum Infektionszeitpunkt und zur Übertragung der Coronavirusinfektion im Kreis Brandenburg“. Das Schreiben stammt vom „Rat des Bezirkes Potsdam für Veterinärmedizin“.
Dazu heißt es im Posting kurz: „1985 gab es schon Corona in der DDR (…) Wacht auf!“
Dokumente mit älterem Datum dienen immer wieder dazu, die Existenz der aktuellen Coronavirus-Pandemie infrage zu stellen. Mal werden dazu Pandemie-Simulationen des Bundestags herangezogen, mal vermeintlich Jahre alte Patente mit Corona-Technologien, mal reichen auch einige alte Nachrichtenartikel. In all diesen Fällen fand AFP eine logische Erklärung, auch im aktuell geteilten Dokument aus der DDR ist dies der Fall.
Wer nach den Schlüsselwörtern „Coronainfektion“, „DDR“ und „Potsdam“ sucht, stößt auf einen Artikel der BILD-Zeitung mit dem Titel „Die Stasi-Akte ‚Coronavirus‘“ vom 17. August 2020. Darin ist auch das medizinische Dokument abgebildet.
Dagmar Hovestädt, Sprecherin der Stasi-Unterlagen-Behörde, erklärt im Text: „Im Stasi-Unterlagen-Archiv befinden sich Akten, die einen Ausbruch des Coronavirus in der DDR belegen, allerdings war dieser auf Schweine beschränkt. Im Jahr 1985 wurden dort laut Unterlagen etliche Fälle in Halle und Potsdam festgestellt. Die Stasi wurde eingeschaltet, um den Ursprung und die Verbreitung zu untersuchen und die Kommunikation zum Ausbruch zu kontrollieren.“ Demnach brach 1985 in der DDR-Landwirtschaft eine Coronavirus-Infektion unter Zuchtschweinen aus, in deren Folge sogar die Staatssicherheit ermittelte.
Auf AFP-Anfrage am 7. April bestätigte Behördensprecherin Hovestädt noch einmal diese Informationen und fügte hinzu: „Wir haben dieses Dokument in unserem Archiv, aber es hat überhaupt nichts mit Sars-CoV-2 zu tun.“ Außerdem erklärte sie: „Die Stasi hat zusammen mit den Ämtern ständig versucht, politisch Schuldige für Zwischenfälle wie einen Seuchenausbruch im Tierstall zu finden. Sabotage musste immer ausgeschlossen werden, deshalb sind solche Fälle so gut in unseren Archiven dokumentiert.“
Die Familie der menschlichen Coronaviren
Die Familie der menschlichen Coronaviren ist seit Mitte der 1960er-Jahre bekannt, schreibt das US-amerikanische Centers for Disease Control and Prevention (CDC) auf seiner Website. Zu dieser Virusfamilie zählen mehrere verschiedene Viren, darunter auch der Erreger der aktuell verbreiteten Krankheit Covid-19. Ihren Namen hat die Familie von den Spike-Proteinen, die einen Kranz, auf Latein Corona, auf der Proteinhülle des Virus bilden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung schreibt, dass erste Corona-Viren vermutlich bereits vor 100 bis 200 Jahren von Tieren auf den Menschen übersprangen. Bei Tieren sind sie Coronaviren schon gut untersucht.
Zur Familie der humanen Coronaviren (HCoV) zählen die weltweit verbreiteten Viren 229E, NL63, OC43 und HKU1. Infektionen damit sind häufig und führen zu Schnupfen, Bindehaut- und Rachenentzündungen.
Dann gibt es noch drei weitere Virenstämme, die zu schwereren Symptomen führen: MersCoV, SarsCoV und Sars-CoV-2. Das Mers-Coronavirus löst das Middle East Respiratory Syndrome aus, kurz MERS, das Sars-Coronavirus verursacht das Severe Acute Respiratory Syndrome, abgekürzt mit SARS. Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2, das aktuell die Welt beschäftigt, löst die Krankheit Covid-19 aus. COVID steht dabei für „Corona“, „Virus“ und „Disease“, Englisch für Corona-Virus-Krankheit. Corona ist also die Virusfamilie, Sars-CoV-2 das momentan neuartige Virus und Covid-19 die dadurch ausgelöste Krankheit.
Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 trat zuerst Ende 2019 auf. Im März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Covid-19 dann zur Pandemie.
Tierisches Coronavirus
AFP hat dazu am 7. April Professor Benedikt Kaufer vom Institut für Virologie im Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin befragt. In einem Telefonat erklärte der Virologe: „Wir kennen Coronaviren in Tieren schon lange. Sie ähneln Sars-CoV-2 höchstens im Aufbau. Diese Viren miteinander zu vergleichen ist dennoch so, als würde man einen Menschen und ein Kaninchen nebeneinander halten.“
Es sei auch kein Geheimnis, dass ältere Coronaviren bereits in den 80er-Jahren in der Schweinezucht und Tierhaltung in Ost- und Westdeutschland registriert worden seien. „Wir müssen uns daran erinnern, dass die meisten Viren zunächst in der Tierwelt vorkommen, bevor sie auf den Menschen überspringen, deshalb ist das auch nicht verwunderlich“, sagte Kaufer.
Fazit: Das Corona-Virus aus dem DDR-Dokument hat mit der aktuellen Pandemie nichts zu tun, noch ist es ein Beweis dafür, dass diese in irgendeiner Form geplant gewesen sei. Es handelte sich um eine ältere Virus-Variante, die vor allem Schweine befiel.