Der französische Virologe Luc Montagnier, der für die Entdeckung des HI-Virus mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist tot. Montagnier starb im Alter von 89 Jahren in einem Krankenhaus des Pariser Vororts Neuilly-sur-Seine, wie der dortige Bürgermeister Jean-Christophe Fromantin der Nachrichtenagentur AFP mitteilte. In seinen letzten Lebensjahren war Montagnier mit Äußerungen gegen Impfungen und zur Corona-Pandemie bei vielen Wissenschaftlern auf Ablehnung gestoßen.
Präsident Emmanuel Macron kondolierte Montagniers Familie und würdigte seinen „wesentlichen Beitrag“ zum Kampf gegen HIV und Aids. Dieser Kampf bleibe „eine der größten medizinischen und wissenschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“.
Die Immunschwächekrankheit Aids hatte Anfang der 80er Jahre der Medizin Rätsel aufgegeben. Zunächst wurde die Krankheit nach den damals häufigsten Betroffenen nur die 4H-Krankheit genannt, wobei die 4 Hs für Homosexuelle, Heroin-Abhängige, Haitianer und „hemophiles“, also Bluter, standen. Eine Handvoll Forschungsteams in verschiedenen Erdteilen machten sich daran, die genaue Ursache der lebensbedrohlichen Krankheit zu erforschen.
Montagnier leitete ein Forschungsteam, das 1983 schließlich HI-Virus entdeckte, das die Immunschwächekrankheit Aids auslöst. Die Entdeckung stieß aber zunächst auf große Skepsis. „Ein Jahr lang wussten wir, dass wir das richtige Virus haben“, sagte Montagnier 30 Jahre später. „Aber niemand glaubte uns und unsere Veröffentlichungen wurden abgelehnt.“
Im April 1984 verkündete schließlich die US-Regierung, dass der Retrovirus-Spezialist Robert Gallo den Aids-Erreger entdeckt habe. Dieser erwies sich aber letztlich als das selbe Virus, das Montagnier und seine Kollegen bereits im Jahr zuvor entdeckt hatten. Für diesen Durchbruch wurden schließlich Montagnier und seine Kollegin Françoise Barré-Sinoussi 2008 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet, Gallo ging leer aus.
„Ich habe immer das Ungewöhnliche gesucht“, sagte Montagnier einmal über seine Forschungsarbeit. „Es fällt mir schwer, auf einem etablierten Pfad zu arbeiten.“ Trotz seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis sah er sich nach eigenen Angaben weiter als „Außenseiter“.
Von 1991 bis 1997 leitete Montagnier eine HIV-Forschungsabteilung am Institut Pasteur. Danach lehrte er bis 2001 am Queens College in New York.
Montagniers Reputation nahm in den vergangenen Jahren allerdings Schaden, weil er wiederholt Positionen vertrat, die dem wissenschaftlichen Konsens eklatant widersprachen. So vertrat er die These, dass Wasser früher darin befindliche Substanzen in einer Art „Gedächtnis“ speichere.
2017 wandte sich Montagnier wiederholt gegen Impfungen. In der Corona-Pandemie vertrat er die Ansicht, dass die Mutationen des Virus von Impfstoffen erzeugt würden. Dies brachte ihm die Sympathie von Impfgegnern ein. Die französische Zeitung „Le Figaro“ beschrieb Montagniers Entwicklung als „langsamen wissenschaftlichen Untergang“.
Die französische Anti-Aids-Organisation Aides lobte am Freitag Montagniers „entscheidende Rolle“ bei der Entdeckung des HI-Virus, die einen „großen Schritt voran“ bei der Entwicklung von Aids-Therapien bedeutet habe. Traurigerweise sei Montagnier in den vergangenen Jahren aber „von der Wissenschaft abgedriftet, eine Tatsache, die wir nicht verschweigen können“.