Das rumänische Verfassungsgericht darf nationalen Gerichten nicht verbieten, bestimmte Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit EU-Recht zu überprüfen. Dies gelte umso mehr, wenn das Verfassungsgericht mit diesem Verbot ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) missachte, erklärte der EuGH am Dienstag in Luxemburg. Es ging um einen Streit über die Disziplinarabteilung speziell für Straftaten von Justizangehörigen. (Az- C-430/21)
Im Rahmen seiner Justizreform erließ Rumänien zwischen 2017 und 2019 verschiedene Regelungen, die der EuGH wegen möglicher Kontrolle der Justiz durch die Politik kritisch betrachtet. Die Disziplinarabteilung hatte der EuGH im Mai 2021 für unvereinbar mit EU-Recht erklärt – es sei denn, es gebe besondere Garantien dafür.
Das rumänische Verfassungsgericht entschied allerdings kurz nach dem EuGH-Urteil von 2021, dass es die Vorschriften zur Errichtung der Disziplinarabteilung bereits früher für verfassungsgemäß erklärt habe und nicht davon abweichen werde. Nationale Gerichte dürften die Vereinbarkeit der Regelung mit EU-Recht nicht prüfen.
Deswegen wandte sich ein nationales Gericht an den EuGH. Es verhandelt eine Strafanzeige gegen Richter und einen Staatsanwalt und will die Vorschrift in dem Rahmen prüfen. Der EuGH erklärte nun, dass es dies dürfen müsse. Ein Verbot dieser Prüfung würde den Grundsatz des Vorrangs von EU-Recht beeinträchtigen und die Zusammenarbeit zwischen dem EuGH und nationalen Gerichten stören.
Nationale Gerichte können dem EuGH Fragen über die Auslegung von EU-Recht stellen. Wenn ein Verfassungsgericht – wie hier – der Ansicht sei, dass EU-Recht in seiner Auslegung durch den EuGH gegen die nationale Identität verstoße, müsse es das Problem ebenfalls dem EuGH vorlegen. Es könne nicht einfach ablehnen, sich an das entsprechende Urteil zu halten, erklärte der EuGH.