In der von russischen Streitkräften belagerten südukrainischen Hafenstadt Mariupol sind nach Angaben der örtlichen Behörden binnen neun Tagen mehr als 1200 Zivilisten gestorben. 1207 Zivilisten seien während der russischen „Blockade“ der Stadt getötet worden, hieß es in einem am Mittwoch auf dem offiziellen Telegram-Kanal der Stadtverwaltung veröffentlichten Beitrag, der mit einer Videobotschaft des Bürgermeisters Wadym Boitschenko versehen war. „Neun Tage Völkermord an der Zivilbevölkerung“, hieß es weiter.
Am Mittwoch war in Mariupol eine Geburts- und Kinderklinik durch russischen Beschuss zerstört worden. Mindestens 17 Mitarbeiter des Krankenhauses wurden nach Angaben der örtlichen Behörden verletzt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete den Angriff in einer Videobotschaft als „Kriegsverbrechen“. Er fügte hinzu: „Die Bombardierung aus der Luft ist der letzte Beweis. Der Beweis, dass ein Völkermord an Ukrainern stattfindet.“ Er erneuerte seine Forderung an die westlichen Staats- und Regierungschefs, den ukrainischen „Luftraum für russische Raketen und Bomben zu schließen oder uns Kampfflugzeuge zu geben, damit wir es selbst machen können“.
Die USA und Großbritannien verurteilten den Angriff. Auch ein UN-Sprecher erklärte, eine medizinische Einrichtung sollte „niemals ein Ziel sein“.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte hingegen in Moskau, dass ukrainische „nationalistische Bataillone“ in der Klinik Schießstellungen eingerichtet hätten.
Mariupol ist von großer strategischer und symbolischer Bedeutung: Es ist die letzte große Hafenstadt am Asowschen Meer unter ukrainischer Kontrolle und ein wichtiger Industriestandort. Mariupol liegt etwa 55 Kilometer von der russischen Grenze und 85 Kilometer von der selbsternannten „Volksrepublik“ Donezk entfernt.
2014 hatten pro-russische Separatisten die Hafenstadt kurzzeitig besetzt, bevor diese von der ukrainischen Armee zurückerobert wurde. Sollte Mariupol nun fallen, würde dies den Zusammenschluss der russischen Truppen mit Einheiten aus der Krim und dem Separatistengebiet im Donbass ermöglichen. Durch die Kämpfe sind dort seit Tagen rund 300.000 Zivilisten eingeschlossen.