Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat seinen Willen bekräftigt, die Vorgaben der Schuldenbremse im Haushalt 2023 wieder zu beachten. „Wir halten an dem Ziel fest, bereits im kommenden Jahr die Schuldenbremse in unserer Verfassung wieder einzuhalten“, sagte Lindner am Donnerstag in Berlin. DIW-Chef Marcel Fratzscher sprach sich dagegen dafür aus, die Schuldenbremse für die kommenden Jahre auszusetzen.
An der Einhaltung der Schuldenbremse im kommenden Jahr hatte es unter anderem wegen der Mehrbelastungen durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine zuletzt Zweifel gegeben. Auch Lindner verwies nach einem Gespräch mit der spanischen Wirtschaftsministerin Nadia María Calviño auf die kurzfristig geplante Anhebung der deutschen Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Dies solle aber „im Rahmen der Bestimmungen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts“ und auch der deutschen Vorgaben umgesetzt werden, versicherte er. „Wir wollen im Rahmen dessen, was unsere eigenen deutschen Fiskalregeln erlauben, neue Schwerpunkte setzen“, kündigte Lindner an. Es liege im Interesse besonders der jüngeren Generation, dass man neue Schwerpunkte setze, „indem man alte Schwerpunkte in Frage stellt“.
Am Ziel der ökologischen Transformation der Wirtschaft will Lindner dabei aber ausdrücklich festhalten. Ebenso sicherte er Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen wegen der hohen Energiepreise zu. Dies habe „eine sehr hohe Dringlichkeit“, sagte der Finanzminister.
„Der Ukraine-Krieg ist für die deutsche Finanzpolitik ein Dammbruch, denn dadurch wird eine Einhaltung der Schuldenbremse für die kommenden Jahre unmöglich sein“, sagte Fratzscher der „Rheinischen Post“. Dies solle die Regierung ehrlich eingestehen, forderte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Er verwies auch auf Kosten für die weitere Bewältigung der Corona-Pandemie sowie ebenfalls wegen der notwendigen „ökologischen und digitalen Transformation der deutschen Wirtschaft“.
Ebenfalls für eine Abkehr von der Schuldenbremse warb Linken-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow. Auch sie argumentierte, „dass sich die finanziellen Herausforderungen des Ukraine-Kriegs, von Corona, der Digitalisierung und des Klimaschutzes mit der Schuldenbremse nicht bewältigen lassen“.
„Wir müssen in die Zukunft investieren und die dramatischen Fehler der Vergangenheit kompensieren“, forderte Hennig-Wellsow. Das Land sei jahrzehntelang kaputt gespart worden und „die Schuldenbremse hat diese Probleme noch verschärft“. Daher solle man sie nicht nur aussetzen, sondern „endlich abschaffen – und zwar für immer“. Die Linken-Chefin verwies auf einen Investitionsstau bei maroden Schulen, Krankenhäusern sowie Straßen und Schienenwegen.
Auch die Union rechnet offensichtlich nicht mehr mit einer Rückkehr zur Einhaltung der normalen Regeln der Schuldenbremse und der Einhaltung der bisherigen Haushaltsziele. Mit Blick auf 2022 sagte ihr Chefhaushälter Christian Haase der „Rheinischen Post“, die vorgesehene Begrenzung der Nettokreditaufnahme auf 100 Milliarden Euro sei „schon vor der Invasion Russlands in die Ukraine illusorisch“ gewesen.
Die Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2023 sollen am kommenden Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden, ebenso wie die mittelfristige Finanzplanung des Bundes und der Haushaltsentwurf für 2022.