Die brasilianische Regierung hat die vom Obersten Gerichtshof angeordnete Blockade des Onlinedienstes Telegram angefochten. Die Entscheidung sei „unverhältnismäßig“ und müsse aufgehoben werden, erklärte Generalstaatsanwalt Bruno Bianco am Samstag. Der Oberste Gerichtshof hatte am Freitag die landesweite Sperrung von Telegram angeordnet. Richter Alexandre de Moraes begründete die Maßnahme damit, dass der Onlinedienst sich nicht an richterliche Anordnungen zum Entfernen von Desinformation gehalten habe.
In seinem Einspruch, der bei einem anderen Richter des obersten Gerichts eingereicht wurde, argumentierte Generalanwalt Bianco, dass die Sperrung „Millionen von Nutzern“ treffe, von denen viele auf Telegram angewiesen seien, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das brasilianische Recht lasse derartige Sanktionen zwar bei der Verletzung der Privatsphäre oder bestimmten anderen Verstößen zu, nicht aber bei der Missachtung gerichtlicher Anordnungen, betonte Bianco.
Zuvor hatte bereits Brasiliens rechtsradikaler Präsident Jair Bolsonaro die Telegram-Sperrung scharf kritisiert. Telegram ist sein bevorzugter Kommunikationskanal. Insofern könnte sich die Gerichtsentscheidung auf den anstehenden Wahlkampf auswirken.
Richter Moraes hatte Telegram am Freitag vorgeworfen, wiederholt Urteile und Anfragen der Polizei, der Landeswahlleitung und des Obersten Gerichtshofs ignoriert zu haben. Er nannte explizit auch eine vom Obersten Gericht angeordnete Untersuchung von Vorwürfen, wonach Bolsonaros Regierung offizielle Kommunikationskanäle zur Verbreitung von Falschinformationen nutzen soll.
Telegram ist in Brasilien äußerst beliebt. Die App ist auf 53 Prozent der Mobiltelefone im bevölkerungsreichsten Land Lateinamerikas installiert. Am Samstagvormittag (Ortszeit) funktionierte Telegram in Brasilien noch. Mobilfunkbetreiber wie der Anbieter TIM wiesen ihre Kunden per Textnachricht darauf hin, dass die App ab Montag gesperrt werde.