Chronik: Von ersten Protesten in Kasachstan gegen zu teures Gas bis zum Schießbefehl

Flagge von Kasachstan
Flagge von Kasachstan

Das autoritär regierte Kasachstan wird von Demonstrationen und Unruhen erschüttert, bei denen mehr als 160 Menschen getötet wurden. Von den ersten Protesten gegen eine Gaspreiserhöhung bis zur Erteilung des Schießbefehls durch den Präsidenten an die Sicherheitskräfte vergingen nur wenige Tage:

Sonntag, 2. Januar:

Demonstranten protestieren in Schangaösen in der westlichen Region Mangystau gegen eine Erhöhung der Preise für Flüssiggas. Die Proteste springen am folgenden Tag über auf die Stadt Aktau am Kaspischen Meer.

Dienstag, 4. Januar:

Präsident Kassym-Schomart Tokajew, seit 2019 an der Macht, ruft die Bevölkerung dazu auf, „Vorsicht“ walten zu lassen und „auf Provokationen nicht zu reagieren“. Die Regierung kündigt eine Preissenkung für Flüssiggas an.

In der Wirtschaftsmetropole Almaty strömen tausende Demonstranten zusammen. Sie fordern den Rücktritt der Regierung und rufen „Raus mit dem Alten“. Gemeint ist Ex-Präsident Nursultan Nasarbajew, der Tokajew unterstützt und hinter den Kulissen noch immer großen Einfluss hat.

Der Präsident verhängt den Ausnahmezustand über Almaty, die Provinz Mangystau und die Hauptstadt Nur-Sultan sowie eine nächtliche Ausgangssperre. Die Online-Netzwerke Whatsapp, Telegram und Signal funktionieren nicht mehr.

Mittwoch, 5. Januar:

Der Präsident entlässt die Regierung. Nach Polizeiangaben wurden nach den nächtlichen Protesten 200 Menschen festgenommen und fast 100 Polizisten verletzt.

Tausende Demonstranten erstürmen das Rathaus von Almaty. Sie ziehen weiter zur Residenz des Präsidenten, die sie ebenso wie das Rathaus in Brand setzen. Für kurze Zeit gelingt es den Demonstranten auch, die Kontrolle über den Flughafen zu übernehmen.

Tokajew erklärt, er werde auf die Demonstrationen mit einer „klaren“ Antwort reagieren. Er übernimmt die Leitung des mächtigen Sicherheitsrats, die bisher sein Vorgänger innehatte. Internet und mobile Kommunikation sind unterbrochen.

Russland ruft dazu auf, die Krise durch „Dialog“ zu überwinden, nicht durch „Aufstände“. Washington und die EU erwarten von der Regierung Zurückhaltung.

Ungeachtet dessen werden die Zusammenstöße zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften heftiger. Der Ausnahmezustand wird auf das ganze Land ausgeweitet. Der Präsident bittet ein von Russland geführtes Militärbündnis um Hilfe. Er macht im Ausland ausgebildete „Terroristen“ für die Unruhen verantwortlich.

Donnerstag, 6. Januar:

Russland und seine Verbündeten aus der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) entsenden „Friedenstruppen“. Zu dieser Einheit zählen Soldaten aus Russland, Belarus, Armenien, Tadschikistan und Kirgistan. Sie sollen staatliche und militärische Einrichtungen schützen und die kasachischen Sicherheitskräfte unterstützen.

Die kasachische Polizei erklärt, sie habe „dutzende“ Demonstranten getötet, die Verwaltungsgebäude und Polizeidienststellen stürmen wollten. Die Regierung ordnet die Deckelung der Treibstoffpreise für sechs Monate an.

Freitag, 7. Januar:

Tokajew verkündet, er habe den Sicherheitskräften den Befehl erteilt, „ohne Vorwarnung tödliche Schüsse abzugeben“. Aufrufe zu Verhandlungen mit den Demonstranten bezeichnet er als „absurd“.

Samstag, 8. Januar:

Der frühere Regierungschef und Ex-Leiter des Inlandsnachrichtendienstes, Karim Massimow, wird wegen des Verdachts auf Landesverrat festgenommen.

Ex-Präsident Nasarbajew äußert sich erstmals öffentlich und ruft die Bevölkerung über seinen Sprecher zur Unterstützung seines Nachfolgers Tokajew auf. Nasarbajews Sprecher bestreitet Gerüchte, wonach der 81-Jährige das Land verlassen hat.

Tokajew berät mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonisch „über Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung“. Die Bundesregierung stoppt ihre Rüstungsexporte nach Kasachstan.

Sonntag, 9. Januar:

Das Gesundheitsministerium erklärt Medienberichten zufolge, dass bei den Auseinandersetzungen mindestens 164 Menschen getötet wurden. Die kasachische Präsidentschaft gibt ihrerseits die Festnahme von 5800 Demonstranten bekannt, darunter „eine beträchtliche Anzahl ausländischer Staatsangehöriger“. Die Lage habe sich nun in allen Teilen des Landes stabilisiert.

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