Es war ein Jahr der Herausforderungen, aber auch ein Jahr des gewaltigen Fortschritts“: Zum ersten Jahrestag seines Amtsantritts hat US-Präsident Joe Biden seine bisherige Arbeit verteidigt. Die Bilanz des am 20. Januar 2021 mit viel Elan gestarteten Präsidenten fällt allerdings gemischt aus. Ein Überblick:
Kampf gegen die Corona-Pandemie
Die verheerende Pandemie unter Kontrolle zu bekommen war eines der zentralen Wahlkampfversprechen Bidens. Nach dem viel kritisierten Krisenmanagement seines Vorgängers Donald Trump brachte Biden eine klare Linie in den Kampf gegen das Coronavirus und stellte eine anfangs äußerst erfolgreiche Impfkampagne auf die Beine. Die Folge waren rapide zurückgehende Infektionszahlen.
Doch im Sommer erklärte Biden den Nationalfeiertag vom 4. Juli vorschnell zum Tag der „Unabhängigkeit“ vom Coronavirus. Dann wurden die USA von der Delta-Variante und im Winter schließlich von der Omikron-Variante getroffen, die zu Rekordzahlen bei den Ansteckungen sorgte.
Bidens Ansehen erlitt dadurch schweren Schaden – auch wenn es für die Entwicklungen viele Gründe gibt. Weil es in den USA viele Impfgegner gibt, sind trotz der großen Verfügbarkeit von Vakzinen bislang nur 63 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Konservative Politiker stellen sich bei Vorgaben zum Impfen oder zu Schutzmasken quer. Und im Dezember blockierte der Supreme Court in einer umstrittenen Entscheidung eine Anordnung der Biden-Regierung zu einer Corona- oder Testpflicht in großen Unternehmen.
Wirtschaftliche Entwicklung
Ein von Biden aufgelegtes 1,9 Billionen Dollar (knapp 1,7 Billionen Euro) großes Corona-Hilfspaket trug maßgeblich dazu bei, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abzufedern und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die USA legten ein starkes Wirtschaftswachstum hin, die Arbeitslosenquote sank zuletzt auf 3,9 Prozent – nach einem Höchstwert von 14,7 Prozent im April 2020.
Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung und angesichts von internationalen Lieferkettenproblemen stiegen aber die Verbraucherpreise rasant an. Die Inflationsrate erreichte im Dezember sieben Prozent und damit den höchsten Wert seit fast 40 Jahren. Kritiker werfen Biden vor, die Inflationsgefahr lange Zeit unterschätzt zu haben.
Reformpolitik
Mit der Verabschiedung eines 1,2 Billionen Dollar teuren Pakets zur Sanierung der maroden Infrastruktur des Landes feierte Biden im November einen großen politischen Erfolg. Bidens Pläne für ein noch größeres Paket mit Sozialmaßnahmen und für den Klimaschutz sind aber bislang an parteiinternem Widerstand gescheitert. Das gefährdet unter anderem Bidens ehrgeizige Klimaziele, die international große Hoffnungen geweckt hatten.
Steckengeblieben sind im Kongress auch Versuche, das Waffenrecht zu verschärfen und mit Reformen Polizeigewalt gegen Schwarze zu bekämpfen. Außerdem hat der Senat seine Wahlrechtsreform vorerst blockiert. Die Demokraten wollen damit Wahlrechtsreformen in konservativ regierten Bundesstaaten entgegentreten, die Kritikern zufolge Minderheiten wie Afroamerikanern den Gang zur Wahlurne erschweren sollen.
Außen- und Verteidigungspolitik
„Amerika ist zurück“, verkündete Biden zu Beginn seiner Amtszeit. Nach den Jahren des „America first“ (Amerika zuerst) seines Vorgängers Trump setzte Biden wieder auf internationale Kooperation und eine enge Zusammenarbeit mit historischen Partnern wie Deutschland. Unter anderem führte der Präsident die USA zurück in das Pariser Klimaschutzabkommen, aus dem Trump ausgestiegen war, und leitete eine Rückkehr zum internationalen Atomabkommen mit dem Iran ein.
Doch mit dem chaotischen Afghanistan-Abzug und der Rückkehr der radikalislamischen Taliban an die Macht erlitt Biden einen schweren Rückschlag. Auch seine Versuche, die Rivalen China und Russland einzuhegen, haben bislang keine greifbaren Ergebnisse gebracht. Vielmehr wächst derzeit im Westen die Befürchtung vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine.