Johnson gibt sich trotz Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen kämpferisch

Boris Johnson - Bild: Simon Dawson / No 10 Downing Street
Boris Johnson - Bild: Simon Dawson / No 10 Downing Street

Der britische Premierminister Boris Johnson kämpft im Skandal um Partys am Regierungssitz mit allen Mitteln um einen Verbleib im Amt. Bei einer Fragerunde im Londoner Unterhaus zeigte sich Johnson am Mittwoch kämpferisch. Doch der Druck auf ihn wächst: Die nötige Zahl von Tory-Abgeordneten für ein parteiinternes Misstrauensvotum gegen den Regierungschef könnte nach Einschätzung britischer Medien bald erreicht werden.

Johnson verteidigte die Bilanz seiner Politik in der Corona-Pandemie, kritisierte die Opposition und machte populäre Ankündigungen, darunter die Aufhebung der meisten der ungeliebten Coronavirus-Beschränkungen.

Doch aus den Rängen der Abgeordneten und auch aus den eigenen Reihen kamen abermals mehrere Rücktrittsforderungen – unter anderem vom einflussreichen Tory-Abgeordneten und ehemaligen Brexit-Minister David Davis. „Egal, was Sie Gutes getan haben – Sie haben schon zu lange hier gesessen“, sagte er. „In Gottes Namen, gehen Sie!“ Davis nutzte dabei ein berühmtes historisches Zitat, das 1653 von Oliver Cromwell, Heerführer im Bürgerkrieg, geprägt wurde.

Der bisherige Tory-Abgeordnete Christian Wakeford kündigte seinen Fraktionsaustritt an und schloss sich der Opposition an. „Sie und die Konservative Partei als Ganzes haben sich als unfähig erwiesen, die Führung und die Regierung anzubieten, die dieses Land verdient“, schrieb Wakeford an Johnson. Labour-Chef Keir Starmer hieß ihn in seinen Reihen willkommen.

Sieben Tory-Politiker haben bereits öffentlich Johnsons Rücktritt gefordert. Hinzu kam nun Berichten zufolge eine Gruppe von rund 20 mehrheitlich jungen Tory-Abgeordneten, die nach Johnsons klarem Wahlsieg 2019 erstmals ins Parlament eingezogen waren.

Viele von ihnen kommen demnach – wie auch der übergelaufene Wakeford – aus den ehemaligen Kerngebieten der oppositionellen Labour-Partei in Nordengland. Sie sollen am Mittwoch über die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen Johnson beraten haben.

Insgesamt müssten sich mindestens 15 Prozent der Tory-Abgeordneten – also 54 – in einem Schreiben an den parlamentarischen Tory-Ausschuss „1922 Committee“ für ein Misstrauensvotum aussprechen.

Käme es zu einem Misstrauensvotum, wären mehr als 50 Prozent der Tory-Abgeordneten nötig, um Johnson zu Fall zu bringen. Sollte er die Abstimmung überstehen, könnte ein Jahr lang kein weiteres Misstrauensvotum gegen ihn angestrengt werden.

Johnson steht seit Wochen wegen immer neuer Berichte über Partys am Regierungssitz Downing Street trotz zu diesem Zeitpunkt geltender strikter Corona-Lockdown-Regeln unter Druck. Vergangene Woche hatte Johnson im Parlament den Besuch einer Gartenparty am 20. Mai 2020 eingestanden und um Entschuldigung gebeten. Damals waren wegen der Pandemie selbst Treffen von mehr als zwei Menschen im Freien verboten.

Der Fall sowie weitere mutmaßliche Corona-Regelverstöße von Johnsons Mitarbeitern werden derzeit von der Regierungsbeamtin Sue Gray untersucht. Sie könnte ihren Bericht in den nächsten Tagen vorlegen. Johnson und seine Regierung wiesen Rücktrittsforderungen bislang zurück und gaben an, den Bericht abwarten zu wollen.

Nach den wochenlangen Enthüllungen will Johnson nun offenbar mit politischen Ankündigungen von dem Skandal ablenken. Darunter fallen die nun angekündigten weitreichenden Lockerungen der Corona-Regeln. Medienberichten zufolge erwägt er zudem den Einsatz des Militärs gegen Migranten und die Abschaffung des Rundfunkbeitrags.

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