Menschenrechtsgericht verurteilt Türkei wegen Yücel-Inhaftierung

EGMR - Bild: SteveAllenPhoto via Twenty20
EGMR - Bild: SteveAllenPhoto via Twenty20

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei wegen der der Inhaftierung des deutschen Journalisten Deniz Yücel verurteilt. Mit der ein Jahr dauernden Untersuchungshaft habe Ankara Yücels Recht auf Freiheit sowie die Meinungs- und Pressefreiheit verletzt, erklärte das Gericht in Straßburg am Dienstag. Yücel hatte als Auslandskorrespondent für die „Welt“ in der Türkei gearbeitet, als er im Februar 2017 wegen seiner Artikel festgenommen wurde. In Deutschland stieß das Urteil auf ein geteiltes Echo.

Die Inhaftierung Yücels hatte in Deutschland eine Welle der Empörung ausgelöst und für eine Verschärfung der Spannungen zwischen Berlin und Ankara gesorgt. Die Vorwürfe der türkischen Behörden gegen den Journalisten hatten sich unter anderem auf ein Interview mit einem Anführer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bezogen.

Der Freiheitsentzug des 48-Jährigen habe eine „Einmischung in die Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung“ dargestellt, urteilte das Gericht. Ein solches Vorgehen habe „unweigerlich eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsfreiheit, indem es die Zivilgesellschaft einschüchtert und Andersdenkende zum Schweigen bringt“.

Yücel selbst reagierte teilweise enttäuscht auf die Entscheidung des Gerichts. „In diesem Verfahren gibt es keine Faser, die nicht politisch motiviert gewesen wäre“, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er halte das Urteil „in Teilen für enttäuschend“.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) begrüßte das Urteil als „Sieg für die Pressefreiheit“. Der EGMR habe deutlich gemacht, „dass die Türkei die Menschenrechte achten muss“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Das deutsche PEN-Zentrum bedauerte indessen, „dass der Gerichtshof keinen Verstoß gegen das Folterverbot festgestellt hat“ und verwies auf Yücels Berichte über körperliche und seelische Misshandlungen in Haft.

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner bezeichnete die Entscheidung als „wichtiges Signal für Menschenrechte und Pressefreiheit“. Die Freiheit von Journalisten sei ein „Gradmesser für die Liberalität einer Gesellschaft“. Die FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte, Renata Alt, nannte das Urteil eine „schallende Ohrfeige“ für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Yücel kam erst nach einem Jahr in Untersuchungshaft im Februar 2018 frei, er verließ daraufhin sofort die Türkei und kehrte nach Deutschland zurück. Im Juli 2020 verurteilte ihn ein Gericht in der Türkei wegen des umstrittenen Vorwurfs der „Terrorpropaganda“ zu zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen Haft. Das umstrittene Verfahren, das in Abwesenheit Yücels stattfand, belastete die deutsch-türkischen Beziehungen erneut schwer.

Der EGMR verurteilte Ankara zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 13.300 Euro an Yücel. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) nimmt die Türkei Platz 153 von 180 ein.

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