Peer Steinbrück: Streitbarer SPD-Politiker mit wechselvoller Karriere

Peer Steinbrück (über Marco Verch/CC BY 2.0)
Peer Steinbrück (über Marco Verch/CC BY 2.0)

Missglückter Wahlkampf, patzige Auftritte und immer wieder der ausgestreckte Mittelfinger: Gut acht Jahre ist es her, dass Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat die Schlagzeilen dominierte und das bis dahin zweitschlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten bei einer Bundestagswahl einfuhr. Seine Fehltritte blieben so manchem wohl stärker im Gedächtnis als die Zeit, in der er als Hoffnung der SPD gehandelt wurde. Dabei blickt der streitbare gebürtige Hamburger, der am Montag seinen 75. Geburtstag feiert, trotz Rückschlägen auf eine erfolgreiche Politikkarriere zurück.

Wie bei vielen Genossinnen und Genossen seiner Generation begann Steinbrücks sozialdemokratische Sozialisation mit dem früheren Bundeskanzler Willy Brandt, der einer der Gründe für seinen Parteieintritt im Jahr 1969 war. Von da an kletterte Steinbrück die Karriereleiter hinauf, machte Stationen in Bundesministerien und arbeitete im Bundeskanzleramt unter Helmut Schmidt, mit dem er bis zu dessen Tod befreundet blieb.

Sein erstes Ministeramt errang Steinbrück 1993 unter SPD-Regierungschefin Heide Simonis in Schleswig-Holstein, in deren Kabinett er das Wirtschafts- und Verkehrsministerium führte. 1998 wechselte Steinbrück nach Nordrhein-Westfalen, wo er von SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement zum Verkehrs- und Wirtschaftsminister berufen wurde. In der Wiederauflage der rot-grünen Koalition wurde er schließlich Finanzminister.

Im Alter von 55 Jahren beerbte Steinbrück Clement nach dessen Wechsel in den Bundestag als Ministerpräsident. Unter Druck geriet er als Regierungschef vor allem wegen der Affäre um die riskante Kreditvergabe an die in die Krise geratene Landesbank WestLB, die später auf Drängen der Europäischen Union abgewickelt wurde.

Den ersten Tiefpunkt seiner politischen Karriere musste Steinbrück im Mai 2005 hinnehmen: Die damalige nordrhein-westfälische Landtagswahl wurde zur „Schicksalswahl“ für die rot-grüne Bundesregierung erklärt – Steinbrück stürzte auf 37,1 Prozent ab, womit der 39-jährigen Herrschaft der SPD in NRW ein Ende gesetzt wurde. Die vorgezogene Bundestagswahl vier Monate später ging für die Sozialdemokraten ebenfalls verloren.

Steinbrück ließ sich davon nicht beirren. Sein Weg führte ihn zurück nach Berlin, wo er in der großen Koalition unter CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel von 2005 bis 2009 Finanzminister war. Er verschrieb sich dem Schuldenabbau und schreckte auch vor unpopulären Sparmaßnahmen nicht zurück. In der Finanzkrise 2008 galten Kanzlerin und Minister vielen als „Dreamteam“.

Seine nächste und größte politische Niederlage erlitt Steinbrück mit seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl 2013. Nach einem anfänglichen Umfragehoch verspielte er in der heißen Wahlkampfphase die Gunst der Wähler, provozierte in Interviews und Fernsehauftritten und stieß Widersachern wie Parteikollegen vor den Kopf.

Vom feingeistigen Familienvater, der in seiner Freizeit am liebsten Schach spielt oder Schiffsmodelle baut, war in dieser Zeit nicht viel zu sehen. In einem Fotointerview mit dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ zeigte er kurz vor der Wahl seinen Kritikern den Stinkefinger. Bei der Bundestagswahl erreichte die SPD nur 25,7 Prozent der Stimmen.

Nach der Wahlschlappe blieb Steinbrück Abgeordneter im Bundestag, bis er 2016 bekanntgab, sich vollständig aus der Politik zurückziehen zu wollen. So ganz gelang ihm das aber nicht: Bis heute gibt er regelmäßig Interviews und liefert sich verbale Schlagabtausche in Politsendungen. Als Talkshowgast teilte er zuletzt gegen die Union und deren Kanzlerkandidaten Armin Laschet von der CDU aus. Den Zustand seiner Partei bemängelte Steinbrück etwa 2018 in seinem Roman „Das Elend der Sozialdemokratie“.

Rückblickend bezeichnete Steinbrück seine Kanzlerkandidatur als Fehler. Um seine Niederlage „aus den Kleidern zu bürsten“, habe er damals ein halbes Jahr gebraucht, sagte er im Oktober in der ZDF-Sendung „Markus Lanz heute“. „Aber irgendwann weiß man auch, dass es nach der Politik ein Leben gibt“, fügte Steinbrück hinzu. Er selbst könne das nur bestätigen.

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