„Pushback“ ist Unwort des Jahres 2021

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Der Ausdruck „Pushback“ ist das Unwort des Jahres 2021. Mit dem Begriff werde ein menschenfeindlicher Prozess des Zurückdrängens von Flüchtenden an den Grenzen durch Europas Grenztruppen beschönigt, begründete eine Jury aus Sprachwissenschaftlern am Mittwoch im hessischen Marburg die Wahl. „Pushback“ folgt damit auf die Begriffe „Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“, die im vergangenen Jahr zu Unwörtern des Jahres erklärt wurden.

Die Jury kritisierte die Verwendung des Begriffs „Pushback“ durch ganz unterschiedliche Politiker, Journalisten oder Organisationen, weil damit ein Prozess beschönigt werde, der Menschen auf der Flucht die Möglichkeit nehme, das Menschen- und Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen. Der Einsatz des Fremdworts trage zur Verschleierung des Verstoßes gegen die Menschenrechte und das Grundrecht auf Asyl bei. Außerdem würden mit dem Gebrauch des Ausdrucks die Gewalt und Folgen wie Tod, die mit dem Zurückdrängen von Migranten verbunden sein können, verschwiegen.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl nahm die Wahl des Begriffs „Pushback“ zum Anlass, ein Ende des damit gemeinten Zurückdrängens von Flüchtlingen an den Grenzen zu fordern. „Diese Praxis muss aufhören“, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Ein Flüchtling dürfe an der EU-Grenze nicht ohne Prüfung der Schutzbedürftigkeit zurückgewiesen werden.

Burkhardt kritisierte, das Zurückdrängen werde in der EU tausendfach vollzogen, ohne dass die EU-Kommission oder Staaten wie Deutschland dem Einhalt gebieten würden. „Pro Asyl appelliert an die Bundesregierung und die EU-Kommission, diese Praxis zu sanktionieren, so dass Pushbacks gestoppt werden – wer so handelt, darf keine EU-Mittel mehr erhalten“, forderte er.

Die Jury der sprachkritischen Aktion erhielt nach eigenen Angaben für das Jahr 2021 insgesamt 1308 Einsendungen, in denen 454 verschiedene Ausdrücke für die Wahl des Unworts vorgeschlagen wurden. Nur knapp 45 Ausdrücke hätten aber den Kriterien der Jury entsprochen.

Mit 287 Einsendungen war „Tyrannei der Ungeimpften“ der mit Abstand häufigste Vorschlag. Es folgten „illegaler Kindergeburtstag“ mit 71 und „Querdenker“ mit 47 Einsendungen. Oft genannt wurden auch andere Begriffe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wie „boostern“, „Covidiot“ oder „Pandemie der Ungeimpften“.

Die Jury der unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion wählte auf Platz zwei den Begriff „Sprachpolizei“, mit dem Menschen diffamiert werden sollten, die sich für einen angemessenen, nicht diskriminierenden Sprachgebrauch einsetzen. Auf Platz drei kamen Vergleiche mit dem Nationalsozialismus, die im Zuge der Corona-Demonstrationen von Impfgegnern und -gegnerinnen verwendet wurden – etwa „Impfnazi“ oder „Ermächtigungsgesetz“ für Infektionsschutzgesetz. Die deplatzierte Verwendung solcher Ausdrücke führe zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, zur Verhöhung der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und in manchen Fällen zu einer Opfer-Täter-Umkehr, erklärten die Juroren.

Die Jury bestand aus den vier Sprachwissenschaftlern Kristin Kuck (Magdeburg), Martin Reisigl (Wien), David Römer (Trier) und Constanze Spieß (Marburg) sowie der freien Journalistin Katharina Kütemeyer. Den jährlich wechselnden Mitgliederplatz hatte in diesem Jahr der Journalist Harald Schumann. Als Gastjuror durfte Schumann ein persönliches Unwort des Jahres benennen – er wählte den Begriff „Militärschlag“. Dieser sei eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt.

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