Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, sieht hinter dem jüngsten Aufwärtstrend für die Union in den Umfragen vor allem eine Schwäche der SPD. An die Person des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz seien vor der Wahl viele Hoffnungen geknüpft worden, sagte Güllner der „Passauer Neue Presse“ vom Donnerstag. „Nun fragt man sich, was bricht auf – und es ist nichts. Daher sind viele Menschen erst einmal von der Person Scholz enttäuscht.“
Die SPD habe ihren Erfolg bei der Bundestagswahl falsch interpretiert, urteilte Güllner. „Sie ist nämlich nicht als SPD um ihrer selbst willen gewählt worden, sondern, weil man enttäuscht war über die Kanzlerkandidaten der anderen.“
Ob sich auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz positiv auf die Umfragewerte der Union auswirkt, ist laut Güllner unklar. Sichtbar sei allerdings, dass bei der Frage der Kanzlerpräferenz die Werte für Scholz stark zurückgingen, während sie für Merz bislang nicht stiegen. „Vielmehr sagen viele Menschen, sie möchten weder Scholz noch Merz als Kanzler. Insofern ist der Merz-Effekt bislang nicht sicht- und messbar“, sagte Güllner.
Zuletzt hatte die Union in mehreren Umfragen die Sozialdemokraten überholt und den ersten Platz erobert. In der Insa-Erhebung für die „Bild“-Zeitung etwa lagen CDU und CSU gemeinsam bei 26 Prozent, die SPD kam auf 23. Im ARD-„Deutschlandtrend“ von Infratest dimap war der Abstand mit 27 zu 22 Prozent noch größer.
Bei der früheren Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die jetzt Außenministerin ist, scheint sich laut Güllner eine ähnliche Entwicklung anzubahnen wie 1998 beim damaligen Ressortchef Joschka Fischer (Grüne): „Erst sagten die meisten, der dürfte nicht Außenminister werden, als er es dann aber war, fand man ihn rasch sehr gut im Amt. Ähnliches deutet sich bei Baerbock an: Die Vorbehalte gegen sie sind schon deutlich geschwunden.“