Keine Angst vor verstörenden Rollen – Isabelle Huppert geht oft an die Grenzen

Isabelle Huppert - Bild: Filmfestival Gent/CC BY-NC-ND 2.0
Isabelle Huppert - Bild: Filmfestival Gent/CC BY-NC-ND 2.0

Isabelle Huppert liebt Schuhe. „Ich lasse mich auf eine Rolle ein, indem ich in die Schuhe schlüpfe“, sagte die französische Schauspielerin einmal in einem Interview. „Hohe Absätze oder Schuhe mit flachen Sohlen machen einen großen Unterschied für eine Rolle“, erklärte Huppert, die bei der Berlinale am Dienstagabend den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk erhält.

Die gerade mal 1,52 Meter große, zierliche Französin hat eine scheinbar unerschöpfliche Energie, mit der sie Kino- und Theaterbesucher seit Jahrzehnten in den Bann zieht. Ob als Königin, Vergewaltigungsopfer, Drogendealerin oder Frau in den Wechseljahren – Huppert hat eine beeindruckende Bandbreite von Rollen gespielt. „Sie ist eine Künstlerin, die vor nichts Angst hat“, sagte der deutsche Filmemacher Volker Schlöndorff einmal über sie.

„Man bringt mich oft mit dramatischen Rollen in Verbindung“, sagte Huppert der Zeitung „Le Monde“. „Aber für mich ist die Unterscheidung nach Genre nicht entscheidend.“ Auch in ihren dramatischen Rollen habe es immer wieder komische Momente gegeben. Auf die Frage, warum sie so häufig schwierige Figuren spiele, sagte sie einmal: „Das Kino dient dazu, extreme Gefühle auszuloten, auch wenn sie skandalös sind und Grenzen überschreiten.“

Diese Grenzerfahrungen verkörperte Huppert immer wieder meisterhaft, und das oft unter der Ägide bedeutender Regisseure, die ihr im wahrsten Sinne des Wortes Spielraum ließen.

Claude Chabrol und Jean-Luc Godard begleiteten den Beginn ihrer Karriere. Sie spielte Madame Bovary und die Hauptrolle im Psychothriller „Süßes Gift“. Für ihre Rolle im Film „Biester“ erhielt sie 1996 erstmals den César. Für den französischen Filmpreis wurde sie häufiger nominiert als jede andere Schauspielerin.

Später arbeitete sie häufig mit dem österreichischen Regisseur Michael Haneke zusammen. Für die Rolle einer Klavierlehrerin mit gestörtem Sexualleben im gleichnamigen Film wurde sie 2001 bei den Filmfestspielen in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Ihren zweiten César erhielt sie 2017 für ihre Rolle in Paul Verhoevens Erotik-Thriller „Elle“. Der Regisseur hatte zuerst versucht, den Film in den USA mit US-Schauspielern zu produzieren, hatte sich aber nur Absagen eingeholt. Huppert hingegen habe gleich zugesagt, erzählte der Regisseur später.

Obwohl Huppert in mehr als 120 Filmen spielte, stand sie auch immer wieder in bedeutenden europäischen Theatern auf der Bühne. Im vergangenen Jahr eröffnete sie in Anton Tschechows Stück „Der Kirschgarten“ das Theaterfestival von Avignon. Sie hatte dem portugiesischen Regisseur Tiago Rodrigues selber vorgeschlagen, dieses Stück auf die Bühne zu bringen – weil sie seine Inszenierungen mochte.

Für Huppert macht es keinen großen Unterschied, ob sie vor der Kamera oder auf einer Bühne steht. „Ich habe mich niemals eingezwängt gefühlt“, erklärte sie der Zeitschrift „L’Obs“. „Ich wollte den Unterschied zwischen Kino und Theater immer aufheben. Man muss seinen eigenen Weg gehen und die Rolle nicht nach einem Vorbild ausrichten“, sagte sie.

Huppert stammt aus einer Pariser Familie mit fünf Kindern und nahm mit 14 zum ersten Mal Schauspielunterricht. Die 68-Jährige feiert in diesem Jahr ihren 40. Hochzeitstag mit dem Regisseur Ronald Chammah, den sie bei den Dreharbeiten für einen Chabrol-Film kennengelernt hat. Das Paar hat drei Kinder. Ihre Tochter Lolita ist ebenfalls Schauspielerin und stand bereits gemeinsam mit ihr vor der Kamera.

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