Es ist ein schwerer Sturz: Bei der Wahl vor fünf Jahren wurde die Linkspartei im Saarland mit 12,8 Prozent noch größte Oppositionspartei – nun scheitert sie weit unter der Fünfprozenthürde. Vorausgegangen war eine zermürbende Auseinandersetzung mit dem früheren Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine. Der 78-Jährige trat nach monatelangem Streit kurz vor der Wahl aus seiner Partei aus – und hinterließ der Linken im Saarland ein Trümmerfeld.
„Man wählt keine zerstrittenen Parteien“, lautet das bittere Fazit von Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow am Wahlabend. Lafontaine wisse „um seine Verantwortung“.
Einen Tag vor dem Parteiaustritt hielt Lafontaine im Saarbrücker Landtag seine letzte Rede. Darin wandte er sich gegen den Krieg in der Ukraine und wurde dafür mit verhältnismäßig langem Applaus bedacht.
In seiner Austrittserklärung schrieb tags darauf: „Einer Partei, in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehen und die zudem das im Saarland etablierte Betrugssystem unterstützt, will ich nicht mehr angehören.“
Bereits im Herbst kündigte Lafontaine das Ende seiner jahrzehntelangen politischen Karriere an. Er hinterließ eine völlig zerstrittene saarländische Linke. Verantwortlich für den Streit ist der bisherige Landtagsfraktionschef aber nicht allein. Das Verhältnis zwischen Fraktion und Landespartei galt schon seit langer Zeit als angespannt.
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 eskalierte der Streit, Auslöser war die Spitzenkandidatur. Die Parteimitglieder wählten in einer Kampfabstimmung am Ende den Landeschef Thomas Lutze, während die Fraktion um Lafontaine den Abgeordneten Dennis Lander favorisierte.
Es folgten mehrere Fraktions- beziehungsweise Parteiausschlüsse gegen Mitglieder der jeweiligen Lager. Auch gegen den polarisierenden Lafontaine selbst lief ein Parteiausschlussverfahren, weil er infolge des Streits im Bundestagswahlkampf dazu aufrief, die Partei nicht zu wählen.
Im November spaltete sich schließlich auch die Fraktion auf. Wenig später kürte der Landesverband die Vorsitzende der neuen Saar-Linken, Barabara Spaniol, zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Lafontaines Karriereende bei der saarländischen Linken war damit besiegelt.
Lange Jahre hatte er als unumstrittene Nummer eins seiner Partei im Saarland gegolten. Dabei half, dass er 13 Jahre lang Ministerpräsident an der Saar war – allerdings mit SPD-Parteibuch. Sein Bruch mit den Sozialdemokraten im Streit um die Politik des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder belastete im Saarland lange das Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei.
Bis heute änderte sich wenig daran. SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger bezeichnete die Linke im Fernsehduell des Saarländischen Rundfunks als „nicht regierungsfähig“ und schloss eine Koalition mit ihr aus.
Dennoch feierte Lafontaine seine größten Erfolge im Saarland. Noch während seines Physikstudiums trat er 1966 in die SPD ein. Zehn Jahre später wurde er Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, 1977 auch Vorsitzender der Saar-SPD. Mit ihm an der Spitze holten die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl 1985 erstmals die absolute Mehrheit, Lafontaine wurde Ministerpräsident und blieb es bis 1998.
Die SPD setzte damals auch in der Bundespolitik auf den Saarländer. Zum Vorsitzenden der Partei wurde er 1995 gewählt, in der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder übernahm er 1998 das Amt des Finanzministers. Doch 1999 trat er als Minister und SPD-Chef zurück, 2005 verließ er schließlich die Partei.
Seine zweite politische Heimat wurde die Linkspartei, an deren Entstehen er maßgeblich beteiligt war und die er als Partei- und Fraktionschef entscheidend prägte. Nach einer Krebserkrankung zog er sich 2010 zurück, blieb jedoch im Saarland Fraktionschef. Dieses Amt behielt er bis zum Schluss.