Diskussionen über allgemeine Dienstpflicht angesichts des Ukraine-Kriegs

Carsten Linnemann - Bild: Marco Urban/Bundestag
Carsten Linnemann - Bild: Marco Urban/Bundestag

Unter den Bundestagsabgeordneten ist angesichts der russischen Bedrohung durch den Ukrainekrieg eine Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht entbrannt. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann sagte der „Bild“ (Dienstagsausgabe): „Ich persönlich setze mich seit Jahren für die Einführung eines Gesellschaftsjahres ein, das sich verpflichtend an junge Männer und Frauen nach Beendigung ihrer Schulzeit richtet.“

„Ein solcher Dienst würde sich nicht auf die Bundeswehr beschränken, sondern auch den Pflege- und Sozialbereich sowie THW, Feuerwehr oder Vereine berücksichtigen“, sagte Linnemann weiter. „Das würde die Krisenresilienz unserer Gesellschaft stärken. Soziale  Kompetenzen werden vermittelt, die es in diesen anhaltend schwierigen Zeiten braucht.“

Unterstützung kam vom stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul (CDU). „Wenn dieser Dienst finanziell attraktiv gemacht wird und konkrete Vorteile wie das Ansammeln von Rentenpunkten oder ein erleichterter Zugang zu Studien- oder Ausbildungsplätzen geschaffen werden, haben wir die Chance, sehr viel mehr Personal anzuwerben“, sagte Wadephul der „Welt“ (Dienstagsausgabe).

„Die Bundeswehr muss mehr in die Gesellschaft hereingeholt werden“, sagte er weiter. „Spätestens seit den jüngsten Ereignissen muss allen klar sein, dass die Bundeswehr Grundvoraussetzung für unser Leben ist, da sie Sicherheit und Freiheit garantiert.“

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, sagte der „Welt“: „Wer in die Bundeswehr investiert, muss selbstverständlich zuallererst in das Personal investieren. Es ist das Rückgrat der deutschen Verteidigungspolitik.“ Die beste Werbung für die Bundeswehr seien sinnvolle Mandate und eine gute Arbeitsumgebung. „Kein PR-Video kann übertünchen, was von Mund-zu-Mund über die Probleme in der Bundeswehr berichtet wird.“ Daher müsse deutlicher gegen rechtsextreme Netzwerke und Soldaten vorgegangen werden, „die durch ihre Einstellungen eine gute Kameradschaft untergraben“.

Der Sicherheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, sagte der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe): „Die Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht müssen wir dringend führen. Denn dafür brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens.“ Eine Dienstpflicht würde seiner Ansicht nach „den Gemeinsinn fördern“. Zugleich betonte der SPD-Politiker, auch die Bundeswehr müsse weiter attraktiver gemacht werden, damit mehr junge Menschen ihren Dienst bei der Truppe leisten würden. „Wir brauchen eine professionell ausgerüstete und agierende Bundeswehr. Da sind wir über die allgemeine Wehrpflicht weit hinaus“, sagte Hellmich.

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), erteilte einer bloßen Reaktivierung der Wehrpflicht eine Absage. Sie sprach in dem Zusammenhang der „Welt“ zufolge von einer „theoretischen Diskussion, die in der aktuellen Situation nicht weiterhilft“.

Zuspruch bekam sie vom verteidigungspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Marcus Faber, der der „Welt“ sagte, er hielte eine Wiedereinführung für „das falsche Signal“.

Auch CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn ist gegen eine Reaktivierung der 2011 vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzten Wehrpflicht. „Wir brauchen Technologie und Waffensystem und keine Köpfe. Die Wehrpflicht ist zum aktuellen Zeitpunkt kein Thema“, sagte er der „Bild“.

Die Wehrpflicht war damals durch einen sogenannten Freiwilligen Wehrdienst ersetzt worden. Die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht war 2019 von der früheren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ins Spiel gebracht worden. Sie zielte darauf, dass Männer und Frauen einen solchen Dienst als Pflichtjahr bei der Bundeswehr, aber auch in der Pflege, bei der Feuerwehr oder beim Technischen Hilfswerk absolvieren sollen.

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