Orban mit Kriegsangst auf Stimmenfang

Viktor Orban - Bild: European People's Party/CC BY 2.0
Viktor Orban - Bild: European People's Party/CC BY 2.0

Die Kleinstadt Kisvarda im Nordosten Ungarns ist gepflastert mit Plakaten, die das Bild von Oppositionsführer Peter Marki-Zay zeigen. „Gefährlich“ ist darunter in großen weißen Buchstaben auf rotem Grund zu lesen. Wenige Tage vor der wohl engsten Parlamentswahl in Ungarn seit Jahren versucht Regierungschef Viktor Orban seinen ärgsten Konkurrenten als Kriegsbefürworter zu brandmarken, der ungarische Soldaten in die Ukraine schicken möchte.

Das ungarische Staatsfernsehen, fest in Orbans Hand, stößt in das gleiche Horn wie der Ministerpräsident, der auf eine vierte Amtszeit hofft. Der konservative Herausforderer Marki-Zay, Spitzenkandidat eines Oppositionsbündnisses aus sechs Parteien, weist die Behauptungen zurück. Er möchte Ungarn auf die Linie der Nato bringen: sich aus den Kampfhandlungen heraushalten und gleichzeitig Kiew unterstützen.

Doch in Kisvarda, wo die Grenze zur Ukraine nur 25 Kilometer entfernt ist, verfängt Orbans Botschaft. Die Rentnerin Ilona sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Es ist nicht unser Krieg.“ Sie halte sich an die Rechtskonservativen. „Warum sollten wir für die Opposition stimmen, wenn die unsere jungen Leute wie meinen Enkel in den Krieg schicken will?“ Ihren vollen Namen wollte die 68-Jährige nicht nennen, aus Angst vor angeblichen Angriffen „der Linken“.

Orban galt lange als Wladimir Putins zuverlässigster Verbündeter in der EU. Als einziger Regierungschef des Staatenverbunds hat er eine weitgehend neutrale Position zum Krieg in der Ukraine eingenommen. Ungarns Sicherheit stehe an vorderster Stelle, lautet die Botschaft des 58-Jährigen.

Zwar hat er den EU-Sanktionen gegen Russland zugestimmt und mehr als eine halbe Million Flüchtlinge in sein Land gelassen, aber Organ weigert sich, Waffen an Kiew zu liefern oder sich den Forderungen nach einem Energie-Embargo anzuschließen.

In Kisvarda, einer 16.000 Einwohner zählenden Hochburg von Orbans rechtskonservativer Fidesz-Partei, nehmen auch Erstwähler die Warnungen des Regierungschefs ernst. „Junge Leute wollen nicht grundlos in einen Krieg reingezogen werden“, sagte der 18-jährige Rajmund Olah. Sein Freund David Vadasz fügte hinzu: „Wir werden alle Fidesz wählen.“

Dem beliebten örtlichen Fidesz-Abgeordneten Miklos Sesztak wird zugute gehalten, viel für die Entwicklung der Stadt getan zu haben. Am Stadtrand entstanden ein Erlebnisbad sowie ein Freizeitpark, teilweise von der EU finanziert. Sesztak warb zudem staatliche Mittel für das neue Stadion in Kisvarda ein, nicht zuletzt dank Orbans Begeisterung für Fußball. Der Provinzclub Kisvarda FC spielt inzwischen in der ersten ungarischen Liga.

Doch einige Wähler in Kisvarda sorgen sich um Korruption, verweisen auf seit langem bestehende Vorwürfe aus Brüssel. Der 22-jährige Robert Raduly sagt, Korruption und die steigenden Lebenserhaltungskosten seien die wichtigsten Wahlthemen. Er denke darüber nach, für die Opposition zu stimmen. „Wenn man Leute von Fidesz fragt, wo das ganze Geld aus den EU-Hilfen geblieben ist, können sie keine klaren Antworten geben“, sagt er. Zudem störe ihn die „Propaganda“ der Rechtskonservativen.

Auch der 72-jährige Rentner Imruska zweifelt an der Glaubwürdigkeit der Regierung: „Viele unter-informierte Menschen halten Orban an der Macht“, sagte er. Seinen vollen Namen will Imruska nicht nennen. Er sei zu alt und wolle keinen Ärger.

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