Zinswende: Gut für Sparer – schlecht für Häuslebauer

Hausbau
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Seit mehr als sechs Jahren liegt der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) bei null Prozent, im Sommer könnte sich dies laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde ändern. Die Zinswende ist damit auch in der Eurozone eingeläutet. Bereits die Aussicht darauf führt zu höheren Zinsen auf Sparkonten – aber auch zu teureren Krediten für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Eine Zinswende bedeutet: Niedrigstzinsen auf Tagesgeld- und Festgeldkonten oder gar Negativzinsen auf Konten, die einen bestimmten Freibetrag überschreiten, könnten der Vergangenheit angehören. „Wenn da ein Stein ins Rollen kommt, dann wird es wieder ein Stück weit freundlicher für die Sparer“, sagt Hendrik Buhrs von Finanztip.

Für die mehr als neun Millionen Kundinnen und Kunden der ING Deutschland hat die Ankündigung bereits konkrete Auswirkungen: Die Direktbank erhöht ab 1. Juli den Freibetrag für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten von aktuell 50.000 auf 500.000 Euro – schafft also die Negativzinsen nach eigenen Angaben für „99,9 Prozent“ der Kunden ab. Die Bank gibt damit „die positive Zinsentwicklung an den Kapitalmärkten und die zuversichtliche Markterwartung frühzeitig an ihre Kundinnen und Kunden weiter“, wie sie erklärte. Weitere Institute dürften folgen.

Auf deutlich positive Zinsen müssen Sparer aber noch warten: Auch wenn die EZB wie angedeutet die Leitzinsen im Sommer anhebt, wird es „schon noch bis ins nächste Jahr dauern, bis dann auch die meisten Sparkonten folgen“, schätzt Buhrs.

Auch für Versicherungsnehmer kann eine Leitzinserhöhung positive Auswirkungen haben. Finanzprodukte wie beispielsweise Altersvorsorgen hängen am niedrigen Zinsumfeld – eine Zinserhöhung dürfte hier für höhere Renditen sorgen.

Mit einer Geldanlage auf dem Festgeldkonto die Teuerung auszugleichen, ist derzeit angesichts der Rekordinflation nicht möglich. Laut der Finanzvergleichsseite Biallo betragen die durchschnittlichen Zinsen pro Jahr für ein Festgeldkonto aktuell 0,16 Prozent bei einer einjährigen Laufzeit, bei zwei Jahren gibt es 0,17 Prozent. Wer sein Geld für zehn Jahre fest anlegt, bekommt im Schnitt 0,41 Prozent Zinsen. Die Teuerung in Deutschland lag im April bei 7,4 Prozent.

Max Herbst von der Finanzberatung FMH rät daher davon ab, sich länger als zwei Jahre an ein Festgeldkonto zu binden. Mit jeder Zinserhöhung der EZB dürften sich auch die Angebote für Festgeldkonten verbessern, schätzt er. Allgemein raten die Experten beim Thema Geldanlage zu einer breiten Streuung und zu viel Geduld. „Aus meiner Sicht ist es wichtig, sich bei der Geldanlage breit aufzustellen und eine ziemlich langfristige Perspektive zu betrachten“, sagt Buhrs von Finanztip.

Negative Effekte der erwarteten Zinswende spüren Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich Geld leihen wollen, schon jetzt. Im Bereich der Baufinanzierung etwa sind die Kreditzinsen bei einer Laufzeit von 15 Jahren laut dem Kreditvermittler Interhyp allein seit Jahresbeginn von durchschnittlich 1,29 auf rund 2,95 Prozent gestiegen. Ein solcher Anstieg hat für Verbraucher „ganz erhebliche“ Auswirkungen, sagt Buhrs. Für manche rechnet sich ein Hauskauf bereits nicht mehr.

Wer noch über den Kauf oder Bau einer Immobilie nachdenkt, sollte nicht mehr allzu lange warten. „Kurzfristig geht der Zins sicherlich nicht nach unten, wahrscheinlich eher noch ein Stückchen nach oben“, erwartet Buhrs. Anders sieht es bei jenen aus, die noch etwas Zeit haben: Steigende Zinsen könnten die Nachfrage nach Krediten und somit auch nach Immobilien verringern – auf lange Sicht könnten somit die Immobilienpreise wieder sinken.

Auch andere Kreditnehmer werden die Folgen der Zinswende zu spüren bekommen, wenn auch weniger direkt. Herbst von FMH rechnet mit einer „leichten Anhebung“ der Dispozinsen. Buhrs von Finanztip hält dies vorerst für unwahrscheinlich.

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