Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erwartet, dass sich die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel zu ihrer Russland- und Ukraine-Politik erklärt. Ihre bisherige Äußerung zur Ablehnung des Nato-Beitritts der Ukraine und Georgiens im Jahr 2008 reiche „natürlich nicht“ aus, sagte der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung der „tageszeitung“ (taz, Donnerstagsausgabe). Es gebe „eine begründete Erwartung“ an die ehemalige Kanzlerin, dass sie darüber reflektiere.
„Sie hatte bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt gesagt, sie werde sich ein halbes Jahr lang überhaupt nicht äußern“, sagte Lammert. „Ich glaube nicht, dass sie jetzt ein ewiges Schweigegelübde einhält.“ Es würde demnach die Ernsthaftigkeit von Merkels Politikverständnis auch maßlos unterschätzen, wenn ihr unterstellt werde, sie interessiere die Frage nicht oder lasse sie nicht an sich heran.
Merkel hatte Anfang April Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an ihrer Russland-Politik zurückgewiesen. Sie verteidigte dabei in der schriftlichen Stellungnahme ihre Entscheidung im Jahr 2008, den Wunsch der Ukraine nach Aufnahme in die Nato zurückzuweisen.
Im Bundestag gibt es parteiübergreifend Rufe, die deutsche Russland-Politik aufzuarbeiten. Im Gespräch ist dabei eine Enquete-Kommission. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hatte Ende April vorgeschlagen, die Russland-Politik seit der Wiedervereinigung einzubeziehen.