Kim Jong Un stellt in Neujahrsansprache erstmals Versorgungskrise über Außenpolitik

Ri Sol Ju und Kim Jong Un - Bild: Blue House (Republic of Korea), KOGL Type 1, via Wikimedia Commons
Ri Sol Ju und Kim Jong Un - Bild: Blue House (Republic of Korea), KOGL Type 1, via Wikimedia Commons

Anders als in den Vorjahren hat der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un in seiner Neujahrsansprache nicht seine Außenpolitik, sondern die prekäre heimische Versorgungslage in den Mittelpunkt gestellt. Das Land habe im Jahr 2021 eine „schwierige Situation“ erlebt, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Samstag den Staatschef. Kim beschrieb die Herausforderungen des Jahres 2022 demnach als „großen Kampf zwischen Leben und Tod“ und kündigte Lösungen für „die Probleme in den Bereichen Ernährung, Kleidung und Unterkunft“ an.

Kim habe „die Erreichung eines epochalen Schritts bei der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit den täglichen Bedürfnissen des Volkes“ als „wichtige Aufgabe dargestellt“, berichtete KCNA weiter. Außerdem unterstrich der Machthaber demnach die Bedeutung des Kampfes gegen die Corona-Pandemie: „Notfallmaßnahmen“ zur Bekämpfung der Pandemie hätten „oberste nationale Priorität“.

Nordkorea steht wegen seiner Militärprogramme unter internationalen Sanktionen. Hinzu kamen Grenzschließungen wegen der Corona-Pandemie. Nach Angaben der südkoreanischen Zentralbank hatte das Land bereits im Jahr 2020 den stärksten Wirtschaftsrückgang seit über zwei Jahrzehnten verzeichnet. International wuchs die Sorge über eine ernste Nahrungsmittelkrise.

Das abgeschottete Land gilt seit Jahren als äußerst verarmt. Seine Neujahrsansprachen nutzte Kim, der seinem Ende 2011 verstorbenen Vater Kim Jong Il an die Staatsspitze folgte, bisher dennoch vor allem für Drohungen gegen den Erzfeind USA und Ankündigungen neuer Waffensysteme.

„Die Pandemie schränkt ihn weiterhin diplomatisch ein, dezimiert seine Wirtschaft und macht die Grenzkontrolle zu seinem größten Sicherheitsproblem“, sagte Leif-Eric Easley, Professor an der Ewha Womans University in Seoul. In seiner Ansprache erwähnte Kim die USA und Südkorea nicht direkt.

Dennoch kündigte er laut KCNA wegen des „zunehmend instabilen militärischen Umfelds auf der koreanischen Halbinsel und der internationalen Lage“ erneut eine „Stärkung der nationalen Verteidigungskapazitäten“ an. Dazu gehörten etwa eine Verbesserung der Loyalität und des Gehorsams in der Armee und die „Herstellung mächtiger Ausrüstung, die der modernen Kriegsführung entspricht“. Nähere Details nannte Kim nicht.

„Kim könnte sich bewusst sein, dass die Enthüllung hochentwickelter militärischer Entwicklungsprojekte, während die Menschen außerhalb von Pjöngjang unter Lebensmittelknappheit und schwierigen Bedingungen leiden, in diesem Jahr vielleicht keine so gute Idee ist“, erklärte der Nordkorea-Experte Chad O’Carroll auf Twitter. „Nordkorea ist mehr oder weniger im Überlebensmodus für 2022 – und weiß nicht wirklich, was es (…) außenpolitisch im Moment tun soll“.

An der schwer befestigten Grenze zwischen Nord- und Südkorea gab es derweil einen seltenen Vorfall: Nach Angaben des südkoreanischen Militärs drang eine unbekannte Person nach Nordkorea ein. Während Fluchtversuche von Norden nach Süden nicht ungewöhnlich sind, kommt es sehr selten vor, dass Menschen den umgekehrten Weg versuchen.

Zuletzt war 2020 ein Nordkoreaner, der drei Jahre zuvor in den Süden übergelaufen war, über die direkte Grenze nach Norden zurückgekehrt. Sein Grenzübertritt veranlasste nordkoreanische Beamte, die Grenzstadt Kaesong abzuriegeln, da sie befürchteten, dass er mit dem Coronavirus infiziert sein könnte.

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