Politiker in Europa erschüttert über Tod von EU-Parlamentspräsident Sassoli

Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons
Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Politiker in ganz Europa haben sich bestürzt über den Tod von EU-Parlamentspräsident David Sassoli gezeigt. Der 65-Jährige starb in der Nacht zum Dienstag in einem italienischen Krankenhaus, wie sein Sprecher Roberto Cuillo auf Twitter mitteilte. Die Flaggen an den Gebäuden des EU-Parlaments und am Bundestag wurden als Zeichen der Trauer auf Halbmast gesetzt.

Der Parlamentspräsident war nach Angaben seines Sprechers am 26. Dezember „wegen einer schweren Komplikation aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems“ in ein Onkologie-Zentrum in Aviano im Nordosten Italiens eingeliefert worden. Seine offiziellen Termine wurden seitdem abgesagt. Im September war er bereits wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus behandelt worden und konnte mehrere Wochen lang nicht seinen Aufgaben als EU-Parlamentspräsident nachgehen. Zuvor war er an Leukämie erkrankt gewesen.

Sassolis Tod löste Bestürzung in der EU aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würdigte ihn als „Mann mit starken Überzeugungen“, dessen „Lächeln und seine Freundlichkeit“ alle geliebt hätten. EU-Ratspräsident Charles Michel bezeichnete Sassoli als „aufrichtigen und leidenschaftlichen Europäer“. Dutzende Europaabgeordnete versammelten sich am Dienstagnachmittag zu einer Schweigeminute vor dem EU-Parlament in Brüssel mit anschließendem Applaus. Am Montag will das EU-Parlament zur Eröffnung der Plenarwoche eine Gedenkfeier in Straßburg abhalten.

Auch die Bundesregierung in Berlin zeigte sich erschüttert. „Europa verliert einen engagierten Parlamentspräsidenten, Italien einen klugen Politiker und Deutschland einen guten Freund“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Angaben seines Sprechers über Twitter. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) würdigte Sassolis Einsatz dafür, „Gräben zu überwinden und so das Parlament als Ganzes zu stärken“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hob Sassolis Führung des EU-Parlaments „gerade in diesen schwierigen Pandemiezeiten“ als „mit sicherer Hand umsichtig und konstruktiv“ hervor.

Auch seine mögliche Nachfolgerin Roberta Metsola äußerte sich betroffen. Sie „habe einen Freund verloren, die Demokratie hat einen Vorkämpfer verloren“, erklärte die maltesische Europaabgeordnete auf Twitter. Die erste Vizepräsidentin der EU-Volksvertretung übernahm nach Sassolis Tod geschäftsführend das Amt des Präsidenten.

„Sassoli war ein Symbol für Ausgewogenheit, Menschlichkeit und Großzügigkeit“, erklärte sein Landsmann, der italienische Regierungschef Mario Draghi. In einer Botschaft an Sassolis Witwe erinnerte Papst Franziskus an „einen von Hoffnung und Nächstenliebe durchdrungenen Gläubigen“.

Der Sozialdemokrat Sassoli hatte den Parlamentsvorsitz seit der Europawahl 2019 inne. Seine Amtszeit lief diesen Monat zur Hälfte der Legislaturperiode gemäß einer Absprache der EU-Staats- und Regierungschefs aus. Sassoli hatte bereits angekündigt, dass er nicht zur Wiederwahl antreten wollte.

Voraussichtlich am kommenden Dienstag werden die Abgeordneten während der Plenarsitzung in Straßburg über seine Nachfolge entscheiden. Durch den Verzicht der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im Parlament auf einen eigenen Kandidaten gilt die Konservative Metsola als Favoritin bei der Wahl.

Sassoli wurde am 30. Mai 1956 in Florenz in der Toskana geboren. Nach dem Studium der Politikwissenschaft arbeitete er als Journalist, zunächst für Zeitungen und Nachrichtenagenturen und dann für den öffentlich-rechtlichen italienischen Rundfunk.

Er entwickelte sich schnell zum vertrauten Gesicht für Millionen Italiener, als er die Abendnachrichten im Sender Rai Uno präsentierte. 2009 zog er für die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) ins EU-Parlament ein. Ab 2014 war er einer der 14 Vize-Präsidenten der EU-Volksvertretung.

Als „Presidente“ führte er Parlamentsdebatten energisch, jedoch ohne verbale Ausbrüche. Seine Amtszeit war durch die Corona-Pandemie geprägt. So musste er die Umstellung des Parlamentsbetriebs auf Telearbeit koordinieren. Als Zeichen der Solidarität in der Krise stellte er die verwaisten Räumlichkeiten des EU-Parlaments in Straßburg und Brüssel zur Verfügung, um Mahlzeiten für bedürftige Familien zuzubereiten und ein Corona-Testzentrum einzurichten.

Sassoli hinterlässt zwei Kinder. Die Trauerfeier soll am Freitag in Rom stattfinden.

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