Mehr als 30 Jahre nach der sowjetischen Niederschlagung der Unabhängigkeitsbestrebungen in Litauen haben sechs Bürger des baltischen Staates Klage gegen den ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow eingereicht. Gorbatschow habe die Kontrolle über das sowjetische Militär gehabt, es aber versäumt, das „internationale Verbrechen“ gegen Litauer zu stoppen, hieß es in der am Donnerstag vorgelegten Klageschrift. Bei dem Moskauer Vorgehen im Januar 1991 wurden 14 litauische Zivilisten getötet und mehr als 700 verletzt.
2019 verurteilte ein litauisches Gericht dutzende Beamte der Sowjetzeit wegen Kriegsverbrechen. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich allerdings, gegen Gorbatschow zu ermitteln, der damals an der Macht war.
„Es ist klar, dass der Einsatz der Streitkräfte ohne die Koordination mit Gorbatschow nicht möglich gewesen wäre“, sagte Robertas Povilaitis, der seinen Vater bei dem Aufstand verlor. Ohne die Verantwortung des obersten Befehlshabers zu berücksichtigen, sei „die Gerechtigkeit nicht vollständig“, begründete er die Klage.
Das gewaltsame Vorgehen vom 13. Januar 1991 war Teil der gescheiterten Bemühungen des Kremls, Litauen nach seiner Abspaltung von der Sowjetunion im März 1990 in die Knie zu zwingen. Im September 1991 erkannte Moskau Litauen dann als unabhängigen Staat an.
Die meisten der 67 Menschen, die in Litauen wegen des Angriffs als Kriegsverbrecher verurteilt wurden, wurden in Abwesenheit vor Gericht gestellt, darunter auch der ehemalige sowjetische Verteidigungsminister Dmitri Jasow, der 2020 starb. Während mehrere litauische Beamte aus der Sowjetzeit für ihre Taten ins Gefängnis kamen, leben andere Verdächtige nach wie vor in Russland und Belarus. Die Beziehungen zwischen Russland und Litauen sind seit der Unabhängigkeit und vor allem seit dem Beitritt des baltischen Staates zur Europäischen Union und zur Nato im Jahr 2004 schwierig.