Verzögerte Krebstherapie aufgrund der Corona-Pandemie kann Lebensjahre kosten

Krebstherapie
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Verschobene Operationen, weniger Früherkennung und Lücken bei der Nachsorge: Die Corona-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung von Krebskranken in Deutschland. Der Vorstandschef des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, Michael Baumann, erwartet künftig mehr Tumoren in fortgeschrittenen Stadien, „deren Heilungschancen entsprechend schlechter sind“. Auch der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), Thomas Seufferlein, befürchtet eine höhere Krebssterblichkeit als Folge der Pandemie.

Seit Beginn der Corona-Krise beobachtet eine Task Force von DKFZ, Deutscher Krebsgesellschaft und Deutscher Krebshilfe die Versorgungslage für Krebspatienten und schlug wiederholt Alarm. Viele Tumoroperationen seien wegen der überlasteten Kliniken verschoben worden, sagte Seufferlein vor dem Weltkrebstag am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Zwar sei versucht worden, in den „Pandemietälern“ Eingriffe nachzuholen, aber die Situation sei für alle Beteiligten belastend.

Ende vergangenen Jahres spitzte sich die Situation erneut zu und auch im Januar zeigten sich kaum Verbesserungen. So gab es im Dezember in den großen Krebszentren etwa 20 Prozent weniger Tumoroperationen und rund ein Viertel weniger Nachsorgeuntersuchungen als vor der Pandemie, wie DKFZ-Chef Baumann zu AFP sagte.

Für Patienten kann eine verschobene Behandlung – ob Operation, Strahlentherapie, Chemo- oder Immuntherapie – gravierende Folgen haben und im schlimmsten Fall Lebensjahre kosten. „Je nach Krebsart können tatsächlich Wochen oder Monate darüber entscheiden, ob die Krankheit geheilt werden kann oder ob der Patient daran über kurz oder lang verstirbt“, sagte Baumann, der bereits im April 2021 warnte, die Krebssterblichkeit werde „nach oben schnellen“. Es sei zu erwarten, dass sich ein pandemiebedingter Anstieg der Krebssterblichkeit „etwa ab Ende 2022 in den Statistiken niederschlagen wird“.

Auch Seufferlein befürchtet, „dass sich eine verzögerte Therapie negativ auf die Prognose auswirkt“. Eine verspätete Diagnose von Krebserkrankungen, zum Beispiel durch eine verschobene Vorsorge, berge „das Risiko, dass Tumorerkrankungen erst in einem fortgeschritteneren und damit schlechter behandelbaren Stadium erkannt werden“.

Laut Statistischem Bundesamt ging die Zahl neuer Krebsdiagnosen im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um sieben Prozent zurück. Auch AOK-Abrechnungsdaten zeigen, dass zwischen März 2020 und Juli 2021 in den Kliniken 13 Prozent weniger Darmkrebsoperationen vorgenommen wurden als im Vorkrisenjahr 2019, die Zahl der Brustkrebsoperationen ging ebenfalls zurück.

Auch bei der Nachsorge gibt es erhebliche Rückstände, weil Patienten Arztbesuche und Untersuchungen zum Teil aus Angst vor Ansteckung verschoben haben. Die Nachsorge ist den Experten zufolge aber notwendig, gerade um ein mögliches Wiederauftreten einer Tumorerkrankung so früh wie möglich erkennen und behandeln zu können.

Ein ähnliches Bild bietet sich teilweise bei der Vorsorge. Dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge gab es 2020 beim Mammographie-Screening zur Brustkrebsvorsorge im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um rund neun Prozent, was knapp 264.000 Untersuchungen weniger entsprach. Die Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchungen gingen im Jahresvergleich sogar um 20 Prozent zurück. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine AOK-Analyse, die auch bei der Prostatakrebs-Früherkennung einen Rückgang um rund acht Prozent feststellte.

Rund 510.000 Menschen erhalten in Deutschland jährlich die Diagnose Krebs – dass sind durchschnittlich 1400 Menschen pro Tag. Insgesamt ein Viertel aller Todesfälle hierzulande sind auf Krebs zurückzuführen. 2020 starben allein fast 44.800 Menschen an Lungenkrebs, rund 18.900 an Bauchspeicheldrüsenkrebs, fast 18.600 an Brustkrebs und knapp 15.700 an Dickdarmkrebs. „Die präzisen Auswirkungen der Pandemie werden wir mittelfristig in den Daten der Krebsregister sehen“, sagt Seufferlein.

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