Mehr als zwei Drittel der Belarussen haben nach offiziellen Angaben für eine von Staatschef Alexander Lukaschenko vorgeschlagene Verfassungsänderung gestimmt. Die Reform erlaubt dem seit 1994 herrschenden Lukaschenko, bis 2035 an der Macht zu bleiben. Sie ermöglicht zudem die dauerhafte Stationierung von russischen Soldaten und Atomwaffen in Belarus. Die EU kritisierte den Ablauf des Referendums und warnte am Montag vor einer nuklearen Aufrüstung des Landes.
„65,16 Prozent der Wähler haben für die Änderungen der Verfassung der Republik Belarus gestimmt“, gab die Wahlkommission in der Nacht zum Montag bekannt. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei 78,63 Prozent.
Die Verfassungsänderung ermöglicht Lukaschenko, der das Land seit 1994 autoritär regiert, weitere Amtszeiten. Zwar wird die Zahl der Amtszeiten des Präsidenten nun auf zwei begrenzt – dies soll aber erst nach der nächsten Präsidentschaftswahl in Kraft treten. Der 67-jährige Lukaschenko könnte sich also noch zwei Mal zur Wahl stellen und im Fall von Wahlsiegen bis 2035 an der Macht bleiben. Für Ex-Präsidenten sieht die Reform eine lebenslange Immunität vor.
Die Verfassungsänderung bindet die ehemalige Sowjetrepublik zudem eng an Russland. Sie ermöglicht unter anderem die dauerhafte Stationierung von russischen Soldaten und Atomwaffen in Belarus. Die Verpflichtung für Belarus, eine „atomwaffenfreie Zone“ zu bleiben, wird aus der Verfassung gestrichen.
Mitte Februar hatte Lukaschenko gesagt, Belarus sei im Falle einer Bedrohung durch den Westen zur Stationierung von Atomwaffen bereit. Sein Land werde dann nicht nur Atomwaffen, „sondern auch Super-Nuklearwaffen“ aufnehmen, um „unser Territorium zu verteidigen“, sagte Lukaschenko.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die Perspektive einer nuklearen Aufrüstung von Belarus „sehr gefährlich“. Das würde bedeuten, dass Russland dort Atomwaffen stationiert, betonte er am Montag in Brüssel. Kritik kam auch von der französischen Regierung: „Diese Verfassungsreform bedeutet eine neue Quelle der Instabilität und Ungewissheit mit Blick auf die Sicherheit des europäischen Kontinents“, erklärte das Außenministeriums in Paris.
Die EU kritisierte auch den Ablauf des Referendums und stellte die Gültigkeit des Ergebnisses in Frage. Die Abstimmung sei „vor dem Hintergrund weitreichender Menschenrechtsverletzungen“ in Belarus erfolgt, erklärte Borrell. „Das sind nicht die Voraussetzungen für einen demokratischen Prozess zur Änderung der Verfassung.“ Lukaschenko habe nun „zusätzliche Instrumente, um seine Macht weiter zu festigen“.
Die Opposition um die im Exil lebende frühere Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja hatte die Abstimmung wegen der staatlichen Verfolgung von Lukaschenkos Kritikern für unrechtmäßig erklärt.
Mit der Änderung der Verfassung folgt Lukaschenko dem Beispiel des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin hielt 2020 ein Referendum ab, das es ihm ermöglichte, bis 2036 an der Macht zu bleiben. Bei der Niederschlagung der Massenproteste nach der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos im August 2020 konnte der Machthaber in Minsk auf die Hilfe Putins zählen. Russland nutzt Belarus als Aufmarschgebiet für seine Streitkräfte, die am Donnerstag auch von dort aus die Ukraine angriffen.