Prozess um die schwerste Straftat im Zuge der Corona-Pandemie beginnt schleppend

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Vor dem Landgericht im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach wird seit Montag die bisher schwerste bekannte Straftat im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in Deutschland verhandelt. Weil der 20-jährige Alex W. ihn auf die Maskenpflicht hinwies, soll der 50-jährige Mario N. den Tankstellenmitarbeiter im September in Idar-Oberstein erschossen haben. Die Anklage wirft N. neben Mord aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen das unerlaubte Führen der Tatwaffe und den unerlaubten Besitz einer weiteren Schusswaffe vor.

Die Tat löste großes Entsetzen aus – entsprechend groß ist das mediale Interesse beim Prozessauftakt. Schon früh am Morgen versammeln sich dutzende Journalisten vor dem Eingang des Justizzentrums. Trotz Pandemie und Abstandsgebot ist der Saal gut gefüllt.

Doch der Verfahrensbeginn verläuft schleppend. Grund dafür ist eine CD mit weiteren Daten, die das Gericht den Beteiligten aushändigt. Hintergrund sind Ermittlungen des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.

N.s Verteidiger bitten zunächst um eine Unterbrechung, um sich die mehr als tausend Seiten der Akten anzuschauen. Dann gibt es offenbar viel zu bereden: Eine ursprünglich geplante Unterbrechung von einer Stunde dauert am Ende rund doppelt so lang.

N.s Verteidigung beantragt zunächst, den Prozess bis zum 31. März auszusetzen. „Wir wurden überrascht, dass die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen zum Tathintergrund durchgeführt hat“, heißt es zur Erklärung. Den Anwälten zufolge lagen die Ergebnisse, darunter ein 26-seitiges psychologisches Gutachten über N., den Behörden seit drei Monaten vor.

Eine anschließende Diskussion zu der Frage, ob N. von in den Dokumenten erwähnten weiteren Ermittlungsverfahren betroffen ist, klärt sich nach einem Telefonat mit der Generalstaatsanwaltschaft. Demnach gibt es gegen N. keine weiteren Verfahren. Einen bereits gestellten Antrag auf Akteneinsicht bei den Ermittlern zieht N.s Verteidigung daraufhin zurück.

Am Mittwoch wollen die Verteidiger nun mit ihrem Mandanten die übrigen Dokumente durchgehen. Ob ihnen die Zeit dafür bis zum nächsten Verhandlungstag am Freitag reicht, bleibt am Montag ungewiss.

„Für den Fall, dass sich keine weiteren Erkenntnisse aus den Unterlagen ergeben, können wir die Verhandlung am Freitag fortsetzen“, sagt N.s Anwalt nach weiteren Sitzungsunterbrechungen. Sollte das nicht der Fall sein, plant die Kammer, den Termin am Freitag abzusagen und am 31. März weiter zu verhandeln.

Mit der Maske scheint sich N. indes auch im mittlerweile dritten Jahr der Pandemie nicht arrangiert zu haben. Als die Vorsitzende Richterin Claudia Büch-Schmitz darauf hinweist, dass Prozessbeteiligte sie abnehmen dürfen, wenn sie sie nicht den ganzen Tag tragen können, legt er sie sofort vor sich auf den Tisch. Während der Anklageverlesung blickt er nach unten – Regungen zeigt er keine.

W.s Mutter, die als Nebenklägerin am Prozess teilnimmt, tupft sich während der Anklageverlesung mit einem Taschentuch Tränen aus den Augen. Immer wieder redet ihre Anwältin leise auf sie ein. Bei der Trauerfeier für ihren Sohn im Oktober hatte die Mutter erklärt, dass sie und die ganze Familie stolz auf ihn seien.

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