Hanno Berger: Mr. Cum-Ex wegen Steuertricks erneut auf der Anklagebank

Justiz
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Die Pflichtverteidiger des als „Mr. Cum-Ex“ bekannten Steueranwalts Hanno Berger haben viel zu tun: So viel, dass das Landgericht Wiesbaden den Prozessbeginn um knapp zwei Monate verschieben musste, um ihnen mehr Zeit zur Einarbeitung in den Fall zu geben. Für Berger geht es um viel: Auf über 900 Seiten ist er der Steuerhinterziehung angeklagt, ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Ab Donnerstag muss sich der 71-Jährige vor dem Landgericht in Wiesbaden verantworten, ein weiterer Prozess gegen ihn läuft schon seit dem 4. April vor dem Landgericht Bonn. Auch dort geht es um schwere Steuerhinterziehung. Insgesamt handelt es sich um Beträge in Höhe von knapp 400 Millionen Euro.

Bevor Berger als Mr. Cum-Ex zum öffentlichen Gesicht eines Steuertricks wurde, mit dem der deutsche Staat laut der Organisation Finanzwende um mindestens zehn Milliarden Euro betrogen wurde, arbeitete er als Bankenprüfer in der hessischen Finanzverwaltung. Es folgte der Wechsel zu internationalen Steuerkanzleien; Berger beriet von da an vermögende Kunden zur „Minimierung ihrer Steuerlast“.

Zu diesem Zweck machte der Steueranwalt laut Anklage auch vor legalen Grauzonen nicht halt – er gilt als Schöpfer der als Cum-Ex bekannten Steuertricks. Dabei wurde der Staat ausgetrickst, so dass eine nur einfach gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach zurückerstattet wurde.

Zu diesem Zweck wurden Aktienpakete um den Dividendenstichtag zwischen mehreren Geschäftspartnern hin und her gehandelt. „Durch dieses Verwirrspiel mehrerer Akteure wurde es unklar, wer Anspruch auf die Steuerrückerstattung der automatisch abgeführten Kapitalertragssteuer hatte“, erläutert die Organisation Finanzwende. Am Ende wurde die Steuer mehrfach erstattet und die Beute unter den verschiedenen Akteuren aufgeteilt.

Was Berger und seine Geschäftspartner als „Schlupfloch“ im bestehenden Steuerrecht sahen, hat der Bundesfinanzhof (BFH) mittlerweile als steuerrechtlich unzulässig eingestuft. Rechtlich könne es keinen Anspruch auf mehrfache Erstattung der nur einmal abgeführten Steuer auf Dividenden geben, stellte der BFH im März klar.

Dass die Cum-Ex-Geschäfte dem Fiskus missfielen, bekam Berger Ende November 2012 erstmals zu spüren – Steuerfahnder durchsuchten seine Kanzlei in Frankfurt, eine Privatwohnung in Berlin und die Anschriften von Geschäftspartnern und -banken. Doch Berger entzog sich den deutschen Steuerfahndern und setzte sich in den Schweizer Kanton Graubünden ab. Knapp neun Jahre später, im Juli 2021, wurde Berger schließlich verhaftet, Ende Februar dieses Jahr wurde der mutmaßliche Steuerbetrüger von der Schweiz nach Deutschland ausgeliefert.

Berger ist somit einer der wenigen Verdächtigen, die sich im Rahmen der Cum-Ex-Steuertricks vor Gericht verantworten müssen. Mit Stand April 2022 standen laut Finanzwende den insgesamt 1335 Beschuldigten lediglich 133 zuständige Ermittler und Ermittlerinnen gegenüber. In neun Jahren Ermittlungsarbeit konnten so lediglich drei Verfahren abgeschlossen werden.

Die Strafprozesse gegen Berger seien deshalb „ein Erfolg und Anlass zur Freude“, sagt der Referent für Finanzkriminalität bei Finanzwende, Konrad Duffy. Zu lange sei die Gesetzgebung von Lobbyisten der Finanzbranche beeinflusst und den Cum-Ex-Geschäften tatenlos zugesehen worden. Oftmals seien zudem die Aufklärung und die Strafverfolgung behindert worden. Von den rund zehn Milliarden Euro, die der Staat durch Cum-Ex-Geschäfte verloren habe, seien bisher zudem erst 1,8 Milliarden Euro zurückgeholt worden.

In Bergers Prozess in Wiesbaden geht es um 113 Millionen Euro – für diesen Betrag soll der Angeklagte Bescheinigungen für in Wahrheit niemals gezahlte Steuern beschafft haben. Seine Verteidiger, mittlerweile eingelesen in Akten und Anklageschrift, werden ihren Mandanten bis Mitte August an den zunächst zwölf angesetzten Verhandlungsterminen gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung verteidigen.

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