Wenn am späten Nachmittag der typische Brauereiduft durch die Halle am Röthelheimpark in der Paul-Gordan-Straße wabert, haben die Studierenden bereits einen Tag ganz im Zeichen des Gerstensaftes hinter sich. Malz abwiegen und schroten, einmaischen, die Gärfässer reinigen und desinfizieren: Das sind nur einige der Schritte, die die Studierenden seit acht Uhr morgens bis dahin konzentriert abgearbeitet haben.
In der lehrstuhleigenen Brauerei „Röthelheimbräu“ erleben sie den gesamten Brauprozess hautnah – von der Rohstoffauswahl über den Kochvorgang bis zur Gärung.
Das Hopfenkochen ist Teil des Schlussakts ihres Brautags, dem Höhepunkt des gleichsam heißbegehrten wie außergewöhnlichen Praktikums in der Vertiefung Bioverfahrenstechnik. Was noch folgt ist die Gärung durch das Zugeben von Hefe. Dann ist das Jungbier fertig und braucht erstmal Ruhe, um reifen zu können. Bevor die 200 Liter Gerstensaft schließlich abgefüllt werden und in durstige Kehlen fließen können, heißt es für die angehenden Chemie- und Bioingenieure mitverfolgen, wie sich das Bier entwickelt.
Sie machen Alkohol- und Zuckermessungen, bestimmen Bittereinheiten. Auch die Analyse ist Teil des Braupraktikums, das sie im Rahmen ihres Studiums am Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik absolvieren können. Denn das gemeinsame Bierbrauen ist mehr als eine reine Spaßveranstaltung. Durch einen der ältesten biotechnologischen Prozesse bekommen sie einen umfassenden Einblick in die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Bioverfahrenstechnik.
„Das Bierbrauen ist ein komplexer biologisch-chemischer Prozess und damit optimal, um Studierenden Wissen rund um die Themen biochemische Prozesse und verfahrenstechnische Schritte näher zu bringen“, unterstreicht Prof. Dr. Kathrin Castiglione, die seit 2018 den Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik und damit auch die lehrstuhleigene Brauerei leitet. „Im Brauprozess sind viele grundlegende Inhalte des Chemie- und Bioingenieurstudiums perfekt kombiniert. Auch eine Grundlagenseminar, in der wir in die Theorie des Bierbrauens einführen, gehört dazu.“
Angeleitet werden sie dabei von einem engagierten Team aus Doktoranden um Marco Dürsch und Luisa Kober, die sich in ihren beiden Promotionen mit den positiven Auswirkungen des Hopfens wissenschaftlich auseinandersetzen. Doch in der Lehrbrauerei steht etwas anderes im Fokus. Die Mitglieder der Brau-AG verfolgen mit viel Herzblut das Experiment mit außergewöhnlichen Hopfensorten und fungieren mit ihren kreativen Bierkreationen auch als Botschafter für handgemachtes Bier. Ihr Credo lautet: „Gebraut wird, worauf wir Lust haben.“
Egal ob Klassiker, wie das FAU-Jubiläumsbier „Helles Köpfchen“, Weizen- und Bockbiere, Porter oder verschiedene Ales – wichtig ist der jeweils eigene Charakter. Und hin und wieder verlassen sie beim Brauen auch den Pfad des Reinheitsgebots. Zu Hopfen, Malz, Hefe und Wasser kommen dann beispielsweise Espressoauszüge oder Orangenschalen für ein besonderes Winterbier. Die kreativen Bierkreationen können inzwischen auch Bierliebhaber außerhalb der Brau-AG verkosten.
Seit 2023 besitzt die 2009 gegründete „Röthelheimbräu“ auf Initiative von Prof. Dr. Kathrin Castiglione eine Lizenz, um Bier für den Verkauf an nicht am Brauvorgang Beteiligte in Flaschen und Fässer abzufüllen. Von der Qualität des besonderen Gerstensaftes überzeugen konnten sich bereits Gäste von Department-Sommerfesten oder -Weihnachtsfeiern, Hochzeiten oder Promotionsfeiern. Bei der traditionellen Martinibock-Feier auf den Erlanger Kellern ist die „Röthelheimbräu“ mit ihren Spezialitäten ebenfalls ein gern gesehener Gast. Auch Besucher der Langen Nacht der Wissenschaften dürfen sich künftig über eine Kostprobe freuen.
Das Brauereiteam knüpft dabei an eine Tradition in der Hugenottenstadt an: Denn mit der Ansiedlung der FAU in Erlangen ging auch ein besonderes akademisches Sonderrecht einher: Den Professoren war es möglich, eigenes Bier als steuerfreien Haustrunk herstellen zu lassen. Dies erledigte bis zum Ende der akademischen Sonderrechte 1814 ein Erlanger Braumeister, der dafür ein Universitätsbürgerrecht verliehen bekommen hat.
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